Wann Zahnarztpraxen sich in berechtigter Weise „Kinderzahnarztpraxis“ und Zahnärztinnen sich „Kinderzahnärztin“ nennen dürfen

|| Medizinrecht

Bundesgerichtshof, Urteil vom 07.04.2022 Az. I ZR 217/20 und Bundesgerichtshof, Urteil vom 07.04.2022 Az. I ZR 5/21

Am 07.04.2022 hatte der Bundesgerichtshof (BGH) sich gleich in zwei Urteilen mit zahnärztlicher Werbung auseinanderzusetzen. In beiden zugrunde liegenden Fällen wollten die betroffenen Zahnärztinnen ihre besondere Expertise gegenüber jungen Patienten zum Ausdruck bringen. So war die Rechtmäßigkeit der Werbung zum Einen mit der Angabe „Kinderzahnarztpraxis“ (I ZR 217/20) und zum Anderen mit der Angabe „Kinderzahnärztin“ (I ZR 5/21) streitgegenständlich.

1.
Im Rahmen des erstgenannten Verfahrens beanstandete die Klägerin den Internetauftritt der beklagten Zahnärztin als irreführend. Die Beklagte bezeichnete ihre Praxis auf diesem als „Kinderzahnarztpraxis“.

Bei der Klägerin handelt es sich um eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die in ihrem Bezirk die Berufsaufsicht über die Zahnärzte ausübt. Das erstinstanzlich entscheidende Landgericht hatte der Klage stattgegeben, wohingegen das Berufungsgericht das Urteil des Landgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen hatte.

Der BGH hat die Revision mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Klägerin der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gem. § 8 UWG nicht zustehe.

Nach § 5 Abs. 1 UWG handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Eine geschäftliche Handlung ist gem. § 5 Abs. 1 S. 2 UWG irreführend, wenn sie unwahre oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über die in der Norm nachfolgend aufgezählten Umstände, wie etwa die wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung, enthält. Gem. § 5 Abs. 2 Nr. 3 UWG gehören hierzu auch Umstände über die Person, Eigenschaften oder Rechte des Unternehmers.

Für die Frage, wie eine Werbung verstanden wird, ist nach Auffassung des BGH gemäß § 3 Abs. 4 S. 1 UWG auf die Sichtweise des durchschnittlich informierten, situationsadäquat aufmerksamen und verständigen Verbrauchers abzustellen, der zur angesprochenen Gruppe gehört. In diesem Rahmen sei vorliegend abzustellen auf Eltern, die für ihre Kinder einen Zahnarzt suchen und auf ältere Kinder, die bereits selbstständig zahnärztliche Leistungen nachfragen. Gehörten die Mitglieder des Gerichts selbst zu den angesprochenen Verkehrskreisen, so könne dieses die aufgeworfenen Fragen auch basierend auf eigener Sachkunde beurteilen.

Der BGH kam in seiner Prüfung ebenso wie das Berufungsgericht zu dem Schluss, dass die entsprechenden Verkehrskreise bei einer Werbung mit der Angabe „Kinderzahnarztpraxis“ erwarten, dass die Ausstattung der Praxis kindgerecht ist und die dort tätigen Zahnärzte für die Belange von Kindern aufgeschlossen sind. Nach dem ermittelten Verkehrsverständnis nicht erwartet würde jedoch, dass diese Praxen über besondere fachliche Kenntnisse im Bereich der Kinderzahnheilkunde verfügen.

2.
In der unter dem Aktenzeichen I ZR 5/21 ebenfalls am 07.04.2022 getroffenen Entscheidung sprach der BGH der Klägerin, bei der es sich abermals um eine Körperschaft des öffentlichen Rechts handelte, die in ihrem Bezirk die Berufsaufsicht über die Zahnärzte ausübt, den Unterlassungsanspruch gem. § 8 UWG hingegen zu. Bei einer der Beklagten in diesem Fall handelte es sich um eine Zahnärztin, die mit der Angabe „Kinderzahnärztin, Kieferorthopädin“ warb.

Hier urteilte der BGH, dass die entsprechenden Verkehrskreise bei einer Werbung mit der Angabe „Kinderzahnärztin“ in Verbindung mit der Bezeichnung „Kieferorthopädin“ erwarteten, dass eine sich so bezeichnende Zahnärztin über eine besondere, gegenüber staatlichen Stellen nachgewiesene Qualifikation im Bereich der Kinderzahnheilkunde verfügt. Denn da sich die Bezeichnung als Kinderzahnärztin in unmittelbarem Zusammenhang mit einer bekannten Facharztbezeichnung (Kieferorthopädin) wiederfinde, sehe der Verkehr die Bezeichnungen als gleichwertig nebeneinanderstehend an. Im Gegensatz zum obig skizzierten Fall einer „Kinderzahnarztpraxis“ beziehe sich die Angabe „Kinderzahnärztin“ wiederum nicht auf die Praxis, sondern auf die fachliche Qualifikation der Zahnärztin. Ein Verständnis, wonach allein die kindgerechte Praxisausstattung beworben werde, liegt nach Auffassung des BGH in dieser Konstellation fern.

Wie sich die Sache darstellen würde, wenn die Zahnärztin sich ohne die weitere Angabe „Kieferorthopädin“ lediglich als „Kinderzahnärztin“ bezeichnet hätte, konnte der BGH im vorliegenden Fall offenlassen. Das Gericht deutete jedoch an, dass aus seiner Sicht einiges dafürspreche, dass die Wertung vergleichbar ausfällt.

3.
Beiden Urteilen ist folglich die Erkenntnis zu entnehmen, dass es sich bei der zahnärztlichen Werbung um eine komplexe Thematik handelt, bei der peinlich genau darauf zu achten ist, welche Bezeichnungen in welchem sprachlichen Kontext verwendet werden.


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