|| Medizinrecht
Das Erfordernis des zeitlichen Abstands zwischen einer Aufklärung über die Risiken einer Operation und der Einwilligung in diese Operation hat das Hanseatische Oberlandesgericht in Bremen mit Urteil vom Urteil vom 25.11.2021 – 5 U 63/20 noch einmal ausdrücklich festgehalten.
Dem Urteil zugrunde liegt die Behandlung eines Patienten in einer HNO-Klinik, dem wegen chronisch rezidivierenden Ohrenentzündungen und Paukenergüssen zu einer Operation der Nasen-Spektrum-Plastik geraten wurde. Am 01.11.2013 unterzeichnete dieser die Operationseinwilligung nach vorheriger schriftlicher Aufklärung am selben Tage. Am 04.11.2013 wurde die entsprechende Operation durchgeführt, im Rahmen welcher ein Behandlungsfehler zwischen den Parteien streitig ist.
Unabhängig vom Inhalt der Aufklärung erklärte das Hanseatische Oberlandesgericht in Bremen die Einwilligung in Form der Unterzeichnung des Aufklärungsbogens am 01.11.2013 für unwirksam.
Dies begründet das Gericht damit, dass dem Patienten keinerlei Bedenkzeit zwischen der Aufklärung über die Risiken des Eingriffs und der Entscheidung über die Einwilligung in diesen Eingriff eingeräumt hatte. Ein derartiges Vorgehen sei bereits nicht mit dem Wortlaut des Gesetzes vereinbar. Gem. § 630 Abs. 2 Nr. 2 BGB muss die Aufklärung über einen Eingriff so rechtzeitig erfolgen, dass der Patient seine Entscheidung über die Einwilligung wohlüberlegt treffen kann. Dies könne nach Auffassung des Gerichts nur, wer ausreichend Zeit zum Überlegen habe. In der Situation unmittelbar nach dem Aufklärungsgespräch könne demnach keine wohlüberlegte Entscheidung getroffen werden. Denn der Patient finde sich in dieser Situation einer großen Fülle ihm zumeist unbekannter und unverständlicher Informationen gegenüber und sei zudem regelmäßig persönlich belastet.
In diesem Kontext sei es nach den Ausführungen im Urteil auch irrelevant, ob ein entsprechendes Vorgehen der Klinik dem bundesweiten Standard entspreche. Selbst wenn die im Rahmen der Beweisaufnahme gehörten Sachverständigen diese im Klinikalltag übliche Praxis nicht beanstanden, stehe dies in einem Arzthaftungsprozess dem Verschulden der beklagten Klinik im Einzelfall nicht entgegen. Denn insoweit handele es sich um eine nicht vom Sachverständigen zu beurteilende Rechtsfrage.
Kliniken, die aus Praktikabilitätsgründen Einwilligungen in Operationen ebenfalls umgehend nach dem Aufklärungsgespräch einholen, sei daher dazu geraten, den Patienten künftig eine angemessene Bedenkzeit einzuräumen.
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