|| Medizinrecht
Das höchste deutsche Zivilgericht hatte sich im vorgenannten Urteil mit interessanten Fragestellungen zu beschäftigen, die die ärztliche Haftung in schwierigen Situationen neu umgrenzen.
Dem Urteil liegt eine sekundäre Sectio zugrunde, in deren Nachgang die Kindesmutter verstorben ist.
Die Kindesmutter hatte in der beklagten Klinik bereits per primärer Sectio 7 Jahre zuvor einen gesunden Jungen zur Welt gebracht. Sie wurde nach erfolgter Ultraschalluntersuchung und mit Laborwerten im Normbereich ohne weitere Risikofaktoren am späten Abend stationär mit dem Ziel einer vaginalen Spontangeburt in der Klinik aufgenommen. Nach Verlegung in den Kreissaal aufgrund verstärkt auftretender Wehentätigkeit äußerte sie den Wunsch nach einer Sectio. In der Patientenakte wurde diesbezüglich vermerkt, dass sie „auf jeden Fall eine primäre Re-Sectio“ wünsche und „auf keinen Fall spontan gebären“ möchte. Diesen Wunsch hätte sie schon lange gehabt, sich jedoch mangels Nachfrage bisher noch nicht dazu geäußert. Ihrem Wunsch entsprechend wurde die Patientin vom Kreissaal in den OP-Saal verlegt und es wurde unter Vollnarkose eine Sectio durchgeführt. Aufgrund massiver Blutungen verstarb sie am Folgetag.
Der BGH beschäftigte sich in seinem Urteil mit mehreren grundsätzlichen Fragestellungen. Im Folgenden soll auf die Frage eingegangen werden, inwieweit ein Behandlungsfehler zu bejahen ist, wenn dem Patientenwunsch gefolgt wird, obwohl die entsprechende Behandlung aus medizinischer Sicht nicht indiziert ist.
Gem. § 630a Abs. 2 BGB hat die ärztliche Behandlung grundsätzlich nach den zum Zeitpunkt bestehenden, allgemein anerkannten fachlichen Standards zu erfolgen, soweit nicht etwas anderes vereinbart ist.
In diesem Rahmen können auch Standardunterschreitungen Gegenstand der Vereinbarung sein. Begründet wird dies mit entsprechenden Dispositionsmöglichkeiten der Parteien.
Der BGH legt in seinem Urteil diesbezüglich die Grenze der medizinischen Vertretbarkeit fest. So hätte ein Behandlungsfehler aufgrund der Entsprechung des Wunsches der Mutter laut dem Gericht nur vorgelegen, wenn die von der Kindesmutter gewünschte Sectio unter Berücksichtigung auch der Konstitution und der Befindlichkeit der Mutter in der konkreten Situation bei einer Betrachtung ex ante keine medizinisch vertretbare Alternative war.
Das Berufungsgericht hatte den Behandlungsfehler noch darin gesehen, dass eine nicht notwendige Sectio allein wegen des Wunsches der Patientin durchgeführt wurde, obwohl die hierfür erforderlichen Kapazitäten in der Nachtzeit nicht gegeben waren. Der BGH bemängelte in Konsequenz des vorher Gesagten, dass jedoch keine Feststellungen zur medizinischen Unvertretbarkeit der Sectio getroffen wurden.
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