Anfechtung der Betriebsratswahl durch einen am Gemeinschaftsbetrieb beteiligten Arbeitgeber allein

|| Arbeitsrecht

BAG, Beschluss vom 16.1.2018, Az.: ABR 21/16

Einleitung

Wird die Wahlanfechtung gerade auf das Fehlen einer unternehmensübergreifenden Organisationseinheit gestützt und geltend gemacht, es hätten gesonderte Wahlen für die Betriebsstätten der jeweiligen Rechtsträger durchgeführt werden müssen, ist anfechtungsberechtigter Arbeitgeber i.S.v. § 19 Abs. 2 BetrVG derjenige, der geltend macht, in seinem eigenständigen Betrieb hätte eine Arbeitnehmervertretung nicht gewählt werden müssen. Steht hingegen fest, dass es sich um einen gemeinsamen Betrieb handelt, kann die Wahl nach der bisherigen Rechtsprechung des BAG nur von allen an dem Gemeinschaftsbetrieb beteiligten Rechtsträgern gemeinsam angefochten werden.
Nach der jetzt veröffentlichten jüngsten Entscheidung des BAG ist der Arbeitgeber berechtigt, die ausschließlich für seine Arbeitnehmerschaft durchgeführte Betriebsratswahl auch dann allein anzufechten, wenn er die Anfechtung darauf stützt, dass ein einheitlicher Betriebsrat für einen mit einem anderen Unternehmen geführten Gemeinschaftsbetrieb hätte gewählt werden müssen. Die Wahl muss nicht von allen an dem behaupteten Gemeinschaftsbetrieb beteiligten Arbeitgebern gemeinsam angefochten werden.
§ 2 Abs. 2 WO-BetrVG enthält eine Sonderregelung im Bezug auf die Wählerliste für die Betriebsratswahlen im gemeinsamen Betrieb. Danach sind die an einem gemeinsamen Betrieb beteiligten Firmen verpflichtet, dem Wahlvorstand die Angaben zur Fertigung der Wählerlisten zur Verfügung zu stellen. Es besteht insoweit also keine Verpflichtung eines Unternehmens auch eine mit dem anderen Unternehmen gemeinsame Wählerliste zu erstellen.
Kosten, die durch Streitigkeiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat anlässlich eines Wahlverfahrens entstehen, tragen nach § 20 Abs. 3 S. 1 BetrVG diejenigen Arbeitgeber, die Umstände gesetzt haben, welche das Vorliegen eines von ihnen gemeinsam geführten Betriebs ernsthaft als möglich erscheinen lassen. Die Kostentragungspflicht besteht somit unabhängig davon, ob tatsächlich ein gemeinsamer Betrieb besteht.

Sachverhalt

Zwei rechtlich selbständige Unternehmen betreiben in derselben Region Rettungsdienste. Sie haben ihren jeweiligen Sitz unter derselben Adresse. Die Personalabteilung und die Lohnbuchhaltung betreuen die jeweils 200 Arbeitnehmer beider Unternehmen gemeinsam. Im April 2014 wurde zunächst in einem Unternehmen ein aus sieben Personen bestehender Betriebsrat nur von den in diesem Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmern gewählt. Im Mai 2014 wurde dann in dem anderen Unternehmen von den dort beschäftigten Arbeitnehmern ein siebenköpfiger Betriebsrat gewählt. Beide Arbeitgeber fochten die Wahlen in getrennten Verfahren mit der Begründung an, sie führten einen Gemeinschaftsbetrieb und es hätte daher ein einheitlicher, aus neun Mitgliedern bestehender Betriebsrat gewählt werden müssen.

Entscheidung

Zur Anfechtung der Wahl des Betriebsrats berechtigt sei nach § 19 Abs. 2 S. 1 BetrVG der Arbeitgeber. Nach Auffassung des BAG ist die Arbeitgeberin zu 1 allein berechtigt, die Betriebsratswahl mit der Begründung anzufechten, es habe in Wirklichkeit ein Gemeinschaftsbetrieb bestanden. Die Auffassung, in einem solchen Fall müssten beide an dem angeblichen Gemeinschaftsbetrieb beteiligten Arbeitgeber die Wahl gemeinsam anfechten, sei unzutreffend. Arbeitgeber sei stets derjenige, dessen Belegschaft den Betriebsrat gewählt habe und durch diesen repräsentiert werde. Bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Wahlanfechtung sei der gewählte Betriebsrat der betriebsverfassungsrechtliche Ansprechpartner des Arbeitgebers, für dessen Arbeitnehmer die Wahl des Betriebsrats ausgeschrieben und durchgeführt worden sei. Das gelte auch dann, wenn der Betriebsrat unter Verkennung des Betriebsbegriffs für einen Teil der Belegschaft eines Gemeinschaftsbetriebs gewählt wurde.
Diesem Verständnis stehe nicht die Rechtsprechung des 1. Senats entgegen, wonach in einem Gemeinschaftsbetrieb die Betriebsratswahl nur von allen an der BGB-Gesellschaft beteiligten Rechtsträgern gemeinsam angefochten werden könne. Diese Rechtsprechung betreffe denjenigen Fall, dass unstreitig ein Gemeinschaftsbetrieb bestehe und bei der Wahl innerhalb des Gemeinschaftsbetriebs Rechtsfehler begangen wurden. Ob ein Gemeinschaftsbetrieb vorliege, müsse das LAG aufklären. Das BAG verweist die Sache daher zurück.

Fazit

Die Entscheidung ist konsequent und insbesondere auch verfahrensrechtlich interessant.
In dem vom BAG entschiedenen Fall hatten beide Arbeitgeber die Wahl in getrennten Verfahren unter Berufung auf den Gemeinschaftsbetrieb angefochten. Das Arbeitsgericht hatte den Wahlanfechtungsanträgen beider Arbeitgeber stattgegeben. Das LAG änderte auf die Beschwerde des einen Betriebsrates die Entscheidung des Arbeitsgerichts ab und wies den Wahlanfechtungsantrag zurück. In dem Verfahren des anderen Betriebsrates verwarf es die Beschwerde als unzulässig, weil sie keine Begründung enthielt. Der im Wahlanfechtungsverfahren rechtskräftig unterlegene Betriebsrat führte daraufhin erneut eine Betriebsratswahl durch. Diese Wahl wurde dann von beiden Arbeitgeberinnen gemeinsam angefochten. Dieser neu gewählte Betriebsrat wurde als Rechtsnachfolger des infolge der rechtskräftigen Wahlanfechtung aufgelösten Betriebsrates an dem vor dem BAG geführten Verfahren beteiligt.
Nach BAG sei die Neuwahl dieses Betriebsrats zwar Gegenstand eines von beiden Arbeitgebern betriebenen gesonderten Anfechtungsverfahrens. Dies schließe es aber nicht aus, dass der neu gewählte Betriebsrat von der Entscheidung in dem vorliegenden Verfahren in seiner betriebsverfassungsrechtlichen Stellung unmittelbar betroffen sein könnte. Sollte die Wahl des im vorliegenden Verfahren wegen Verkennung des Betriebsbegriffs für unwirksam erklärt werden, könnte sich diese Entscheidung auf das beim ArbG anhängige gesonderte, die Neuwahl betreffende Anfechtungsverfahren auswirken. Aus diesem Grund sei auch der andere Arbeitgeber an dem vorliegenden Verfahren beteiligt. Für die Frage, wer Beteiligter des Beschlussverfahrens ist, sei maßgeblich, welche Personen oder Stellen in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen, personalvertretungsrechtlichen oder mitbestimmungsrechtlichen Rechtsstellung unmittelbar betroffen werden. Das BAG stellt damit durch die von Amts wegen vorzunehmende Beteiligung am Verfahren sicher, dass eine Entscheidung nur einheitlich ergehen kann.
Arbeitgeber, bei denen rechtskräftig festgestellt oder die unstreitig einen gemeinsamen Betrieb führen, können auch nach Auffassung des fünften Senats die Wahlen nur gemeinsam anfechten.


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