Das (zahn-)ärztliche Instrument als gefährliches Werkzeug im Sinne des Strafgesetzbuches

|| Medizinrecht

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16.03.2022 – 1 Ws 47/22

Die Frage, ob ein (zahn-)ärztliches Instrument ein gefährliches Werkzeug im Sinne des StGB darstellt, ist in der Rechtsprechung seit jeher umstritten. Ganz aktuell hatte sich nun auch das Oberlandesgericht Karlsruhe in seinem Beschluss vom 16.03.2022 mit der Problematik zu befassen.

Das Gericht befasste sich mit der Strafbarkeit eines Zahnarztes, dem zur Last gelegt wurde, seinen PatientInnen in 33 Fällen Zähne extrahiert zu haben, obwohl es hinreichend aussichtsreiche Behandlungsalternativen gegeben haben soll. Im Vorfeld zu den Operationen stellte der Zahnarzt die Extraktion der entsprechenden Zähne gegenüber den betroffenen PatientInnen als zwingend dar, woraufhin diese der Behandlung zustimmten. Die Eingriffe nahm der Zahnarzt mittels der erforderlichen ärztlichen Instrumente vor.

Rechtsprechung und herrschende Lehre verneinen die Einordnung (zahn-)ärztlicher Instrumente als gefährliche Werkzeuge gem. § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB mit der Begründung, dass der gelungene Heileingriff insgesamt gesehen die Gesundheitslage verbessere, sodass auch der Einsatz eines Skalpells oder anderen Instrumenten nicht dazu bestimmt sei, den Patienten zu verletzen, sondern zu heilen. Durch andere Stimmen wird dieser Argumentation Inkonsequenz vorgeworfen, da dieselbe Überlegung gerade nicht zum Anlass genommen werde, den lege artis durchgeführten Heileingriff bereits vom Grundtatbestand des § 223 StGB auszunehmen.

Erstgenanntem Ansatz folgte in vorbezeichneter Angelegenheit auch der erstinstanzliche Beschluss des Landgerichts Karlsruhe, der die Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnte, da das von einem zugelassenen (Zahn-)Arzt bei einem (zahn-)ärztlichen Eingriff bestimmungsgemäß verwendete (zahn-)ärztliche Instrument grundsätzlich weder eine Waffe noch ein gefährliches Werkzeug im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB sei. Das Landgericht Karlsruhe kam daher zu der Entscheidung, dass der (Zahn-)Arzt, wenn (wie im zu Grunde liegenden Fall) keine wirksame Einwilligung des/der PatientIn in den Eingriff vorliege, nur wegen vorsätzlicher Körperverletzung gem. § 223 Abs. 1 StGB bestraft werden könne.

Das OLG Karlsruhe teilt diese Einschätzung jedoch nicht.

Das Gericht vertritt die Auffassung, dass die Einordnung eines gefährlichen Werkzeugs als Mittel der Tatbegehung im Verhältnis zur Waffe durch das Sechste Gesetz zur Reform des Strafrechts vom 26.01.1998 insoweit eine Änderung erfahren habe, als das gefährliche Werkzeug – anders als bei § 223 StGB a.F. – in der neuen Fassung des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB nicht mehr als Beispiel für eine Waffe, sondern eine Waffe nunmehr als Unterfall des gefährlichen Werkzeugs anzusehen sei. Dies habe zur Folge, dass die Abgrenzung, ob ein (zahn-)ärztliches Instrument als gefährliches Werkzeug einzustufen ist oder nicht, nicht mehr anhand dessen erfolgen könne, ob es gleich einer Waffe zu Angriffs- oder Verteidigungszwecken eingesetzt wird. Dem Zweck der Benutzung des Gegenstandes könne mithin nicht mehr die ausschlaggebende Bedeutung zukommen. Vielmehr sei auch bei (zahn-)ärztlichen Instrumenten danach zu fragen, ob der Gegenstand aufgrund seiner objektiven Beschaffenheit und der Verwendung im konkreten Fall dazu geeignet ist, dem Opfer erhebliche Verletzungen beizubringen (=gängige Definition des gefährlichen Werkzeugs im Sinne der Norm).

Dies bejahte das OLG Karlsruhe im zu entscheidenden Fall. Zwar würden Schmerzen während der Extraktion eines Zahnes mittels der dafür vorgesehenen zahnärztlichen Instrumente aufgrund der örtlichen Betäubung kaum verspürt. Die verwendeten zahnärztlichen Instrumente, namentlich die zur Zahnextraktion verwendete Zange, führten unmittelbar nach dem Eingriff jedoch jedenfalls für die Dauer einiger Tage zu einer offenen Wunde im Mundraum der PatientInnen. Derartige Eingriffe seien nach Abklingen der lokalen Narkose daher regelmäßig mit nicht unerheblichen Schmerzen, Beschwerden bei der Nahrungsaufnahme und der Gefahr von Entzündungen verbunden. Angesichts der Dauer der gravierenden Verletzungen wie auch angesichts deren Intensität sei daher der Qualifikationstatbestand des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB erfüllt.

Insbesondere spielte es nach Auffassung des Gerichts keine Rolle, ob die verwendeten Instrumente von einem approbierten Arzt regelrecht angewandt wurden oder nicht.


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