Der Richter als Patient eines Prozessbeteiligten

|| Medizinrecht

Amtsgericht Schwetzingen Beschluss vom 23.01.2023 Az. 1 F 228/22, 2 F 12/23

Ist in Gerichtsprozessen ein Arzt involviert, besteht zumindest eine geringe Wahrscheinlichkeit, dass andere Prozessbeteiligte Patienten dieses Arztes sind. Doch wie ist zu verfahren, wenn es gerade der Richter ist, der sich bei dem prozessbeteiligten Arzt in Behandlung befindet? Das Amtsgericht Schwetzingen hatte am 23.01.2023 (Az. 1 F 228/22, 2 F 12/23) in einem familiengerichtlichen Verfahren über das Ablehnungsgesuch der Antragstellervertreterin zu entscheiden. Diese hatte beantragt, dass der Richter für befangen erklärt werde und die Zuständigkeit wechsle, nachdem der Richter den Beteiligten mitgeteilt hatte, selbst Patient des Antragsgegners zu sein. Der Antragsgegner war ein Zahnarzt und der Richter gab an, dass er seit etlichen Jahren regelmäßig in dessen Praxis zu Untersuchungen und Zahnreinigungen gehe und in diesem Rahmen auch über vertrauliche gesundheitliche Belange gesprochen würde.

In der vorliegenden Konstellation wurde am Familiengericht in Schwetzingen über eine Frage geurteilt, für die die Rechtsprechung im Arzthaftungsprozess bereits eine eindeutige Antwort gefunden hat. In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass im Hinblick auf das besondere ärztliche Vertrauensverhältnis ein Richter in einem Arzthaftungsprozess gegen einen Arzt, bei dem er selbst in Behandlung ist oder vor nicht allzu langer Zeit in Behandlung war, regelmäßig als befangen anzusehen ist. Dem liegt die Annahme zu Grunde, dass in der Regel jede ärztliche Behandlung auf einem besonderen Vertrauensverhältnis beruhe. Ausgenommen hiervon sind lediglich einmalige, länger zurückliegende und weniger bedeutsame kleine Maßnahmen. So wurde Befangenheit in der Vergangenheit sogar bejaht bei einer Hebamme, die eine Richterin während der Geburt ihres Kindes betreut hatte, auch wenn diese Geburt schon einige Jahre zurück lag, und im Falle eines Richters, der sich in einem Zeitraum von über siebzehn Jahren lediglich fünfmal und zuletzt drei Jahre zuvor in der Behandlung des beklagten Orthopäden befunden hatte.

Grundsätzlich findet gem. § 42 Abs. 2 ZPO eine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit nur statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Eine tatsächliche Befangenheit oder Voreingenommenheit ist in diesem Rahmen nicht erforderlich. Der „böse Schein“, also der mögliche Eindruck mangelnder Objektivität, reicht bereits aus.

Wie das Amtsgericht Schwetzingen in seinem Beschluss nun feststellte, ist das Arzt-Patienten-Verhältnis zwischen dem Richter und dem Antragsgegner als eine persönliche und rechtliche Beziehung zu qualifizieren, die grundsätzlich im Ergebnis dazu ausreichend ist, für einen objektiven Beobachter Anlass zu Zweifeln zu geben. Dies gelte gerade nicht nur im Arzthaftungsprozess, sondern auch in sonstigen Rechtsstreitigkeiten. Denn für die Frage, ob zwischen dem Arzt und dem Richter ein besonderes Verhältnis besteht, sei es allenfalls am Rande erheblich, ob Gegenstand des Verfahrens die ärztliche Tätigkeit ist oder nicht. Die Tatsache, dass der Patient seine gesundheitlichen Belange dem Arzt anvertraut und sich mit diesen in die Hände des Arztes begibt, sei in jedem Fall gegeben. Selbiges gelte für die Befürchtung, der Richter könne Angst haben, ein negativer Ausgang des Prozesses für den Arzt könnte seine zukünftige Behandlung beeinflussen.


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