Entgeltgleichheit von Männern und Frauen

|| Arbeitsrecht

BAG, Urt. v. 16.02.23, Az. 8 AZR 450/21

Eine Frau hat Anspruch auf gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit, wenn der Arbeitgeber männlichen Kollegen aufgrund des Geschlechts ein höheres Entgelt zahlt. Daran ändert sich nichts, wenn der männliche Kollege ein höheres Entgelt fordert und der Arbeitgeber dieser Forderung nachgibt.

Einleitung

Nach dem Entgelttransparenzgesetz ist jeder Arbeitgeber verpflichtet, Männern und Frauen für vergleichbare Arbeit gleich viel zu zahlen. In Betrieben mit mehr als 200 Beschäftigten können Arbeitnehmer verlangen, dass ihnen ihr Arbeitgeber das durchschnittliche Gehalt der Kollegen des jeweils anderen Geschlechts nennt, die eine ähnliche Arbeit leisten. Für Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern gelten weitere Vorgaben: sie sollen regelmäßig prüfen, wie es um die Lohngleichheit im Unternehmen steht, und darüber berichten.

Das BAG hat in einer viel beachteten Entscheidung aus dem Jahre 2021 entschieden, dass eine geringere Bezahlung von Frauen gegenüber Männern in einer Vergleichsgruppe die Vermutung einer unmittelbaren Benachteiligung im Sinne von § 3 Abs. 2 S. 1 EntgTranspG auslöst. Es tritt dann eine Umkehr der Beweislast ein. Der Arbeitgeber muss darlegen und beweisen, dass die ungleiche Bezahlung auf sachlichen Gründen beruht. Das Gleichbehandlungsgebot von Männern und Frauen konkurriert mit dem Grundsatz der Vertragsfreiheit. Mit seiner aktuellen Entscheidung hat das BAG klargestellt, dass Verhandlungsgeschick allein kein geeignetes objektives Kriterium zur Rechtfertigung einer Entgeltungleichheit zwischen Männern und Frauen darstellt.

Sachverhalt

Eine Außendienstmitarbeiterin im Vertrieb eines Unternehmens der Metall- und Elektroindustrie verdiente anfangs 3.500 Euro brutto nebst einer seit dem 1. November 2017 geltenden und vom erzielten Umsatz abhängige Erfolgskomponente. Ab dem 1. August 2018 zahlte der Arbeitgeber ein Grundentgelt in Höhe von 3.620,00 Euro brutto, das in jährlichen Schritten weiter angehoben werden sollte.

Neben der weiblichen Außendienstmitarbeiterin waren im Vertriebsaußendienst des Arbeitgebers zwei männliche Arbeitnehmer beschäftigt, einer davon seit dem 1. Januar 2017. Auch diesem Arbeitnehmer hatte der Arbeitgeber ein Grundgehalt in Höhe von 3.500,00 Euro brutto angeboten, was dieser jedoch ablehnte. Er verhandelte für die Zeit bis zum Einsetzen einer zusätzlichen leistungsabhängigen Vergütung, das heißt für die Zeit bis zum 31. Oktober 2017, eine höhere Grundvergütung in Höhe von 4.500,00 Euro brutto. Dem Mitarbeiter wurde zudem in Aussicht gestellt, als Ersatz für eine ausscheidende Kollegin später als "Leiter Vertrieb Bahntechnik" tätig werden zu können.

Den vertraglichen Vereinbarungen entsprechend zahlte der Arbeitgeber an den männlichen Mitarbeiter von 1. Januar 2017 bis 31. Oktober 2017 ein monatliches Grundgehalt von 4.500,00 Euro brutto und ab 1. November 2017 ein monatliches Grundgehalt von 3.500,00 Euro nebst dem ab diesem Zeitpunkt geltenden erfolgsabhängigen Entgeltbestandteil. Ab 1. Juli 2018 trat eine Entgelterhöhung auf monatlich 4.000,00 Euro brutto im Zusammenhang mit seiner Weiterbeschäftigung als "Leiter Vertrieb Bahntechnik/Sprechtechnik/GSM (- R)" und eine neue Regelung der erfolgsabhängigen Gehaltskomponente in Kraft. Zur Begründung berief sich der Arbeitgeber darauf, dass der Arbeitnehmer einer ausgeschiedenen, besser vergüteten Vertriebsmitarbeiterin nachgefolgt sei.

Ein anderer Kollege, der bereits seit über 30 Jahren bei der Beklagten arbeitete, erhielt als "Leiter Vertrieb Gehäuse- und Kommunikationstechnik", ein außertarifliches Grundgehalt von 4.500 Euro brutto.

Die weibliche Außendienstmitarbeiterin verlangte die rückständige Vergütung für die Zeit von März bis Oktober 2017 iHv. monatlich 1.000,00 Euro brutto, rückständige Vergütung für den Monat Juli 2018 iHv. 500,00 Euro brutto sowie rückständige Vergütung für die Zeit von August 2018 bis Juli 2019 iHv. monatlich 500,00 Euro brutto.

Sie hat die Auffassung vertreten, der Arbeitgeber müsse ihr ein ebenso hohes Grundentgelt zahlen wie ihrem fast zeitgleich eingestellten männlichen Kollegen. Dies folge daraus, dass sie die gleiche Arbeit wie ihr männlicher Kollege verrichte. Da der Arbeitgeber sie beim Entgelt aufgrund des Geschlechts benachteiligt habe, schulde sie ihr zudem die Zahlung einer angemessenen Entschädigung iHv. mindestens 6.000,00 Euro.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Sie sahen in dieser Konstellation keinen Verstoß gegen das Entgeltgleichheitsgebot. Der männliche Kollege sei lediglich zu einem höheren Gehalt bereit gewesen, den Job anzunehmen. Das Interesse des Unternehmens an der Mitarbeitergewinnung sei ein objektives Kriterium, das die Gehaltsunterschiede rechtfertige. Es hätten folglich ausschließlich andere Gründe als das Geschlecht zu einer ungünstigeren Behandlung der weiblichen Außendienstmitarbeiterin geführt. Diese Auffassung wurde vom BAG nicht geteilt.

Entscheidung

Nach Auffassung des BAG hat die Mitarbeiterin einen Anspruch aus Art. 157 AEUV, § 3 Abs. 1 und § 7 EntgTranspG auf das gleiche Grundentgelt wie ihr männlicher Kollege. Bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit sei nach § 7 EntgTranspG eine unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts im Hinblick auf sämtliche Entgeltbestandteile und Entgeltbedingungen verboten.

Der Umstand, dass die Außendienstmitarbeiterin für die gleiche Arbeit ein niedrigeres Grundentgelt erhalten hat als ihr männlicher Kollege, begründe eine Vermutung nach § 22 AGG, dass die Benachteiligung aufgrund des Geschlechts erfolgt sei. Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweise, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen, trage die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.

Dem Arbeitgeber sei es nicht gelungen, diese Vermutung zu widerlegen. Insbesondere könne er sich nicht darauf berufen, das höhere Grundentgelt des männlichen Kollegen beruhe nicht auf dem Geschlecht, sondern auf dem Umstand, dass dieser ein höheres Entgelt ausgehandelt habe oder dass er einer besser vergüteten ausgeschiedenen Arbeitnehmerin nachgefolgt sei. Im Ergebnis hat das BAG damit klargestellt, dass allein das Verhandlungsgeschick von Beschäftigten keine geschlechtsbezogene Ungleichbehandlung rechtfertigt.

Das BAG hat auch die geltend gemachte Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG i.H.v. 2000 € zugesprochen. Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot sei der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Das gelte nur ausnahmsweise nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten habe. Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden sei, könne der Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen.

Fazit

Die Entscheidung zeigt, welch scharfes Schwert das EntgTranspG zur Durchsetzung von Ansprüchen auf eine höhere Vergütung wegen Geschlechterdiskriminierung sein kann. Wie der Sachverhalt zeigt, war in dem hier entschiedenen Fall die Vergleichsgruppe klein und bestand im Grunde nur aus einem weiteren männlichen Mitarbeiter. Der Umstand, dass der männliche Kollege für eine Aufstiegsstelle vorgesehen war, hat keine Rolle gespielt. Da der Arbeitgeber die Beweislast für den sachlichen Grund einer Differenzierung trägt, ist ihm anzuraten, eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigende Gesichtspunkte in der Tätigkeitsbeschreibung zu dokumentieren.


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