Erstattungsanspruch des Pflichtteilsberechtigten für die Kosten eines von ihm beauftragten Sachverständigen zur Wertermittlung eines Nachlassgrundstücks

|| Erbrecht

Landgericht Arnsberg, Urt. vom 17.9.2021 (1 O 261/19)

Einleitung

Wer als nächster Angehöriger enterbt ist, kann seinen Pflichtteil einfordern. Hierfür ist oftmals eine Bewertung von Nachlassgegenständen, vor allem von Immobilien erforderlich. Hält der Erbe an einem aus Sicht der Pflichtteilsberechtigten zu niedrigen Wert für eine Nachlassimmobilie fest, stellt sich die Frage, ob der Pflichtteilsberechtigte ein Sachverständigengutachten zum Nachweis eines höheren Wertes in Auftrag geben und die Kosten des Gutachtens vom Erben ersetzt verlangen kann.

Sachverhalt

Ein verwitweter Mann setzt seine Tochter zur Alleinerbin ein. Die enterbten Geschwister machen nach seinem Tod gegen die Erbin Pflichtteilsansprüche geltend. Sie fordern von ihrer Schwester ein Nachlassverzeichnis. Die Schwester legt daraufhin u.a. Konten sowie Beerdigungskosten offen, beziffert den Wert des einzigen Nachlassgrundstückes mit 60.000,00 € und zahlt auf den Pflichtteilsanspruch ein Betrag in Höhe von 13.509,54 € P an jedes ihrer der Geschwister aus. Diese halten den Wert des Grundstückes für zu niedrig angesetzt. Sie holen ein Marktwertgutachten ein, das das Grundstück mit 97.200,00 € bewertet. Für die Erstellung des Gutachtens sind 357,00 € angefallen. Sie möchten von ihrer Schwester den sich aus dem höheren Wert des Grundstückes ergebenden Pflichtteil ausbezahlt sowie die Gutachterkosten erstattet haben.

Entscheidung

Das Landgericht Arnsberg hält den Gutachterwert von ca. 91.000,00 € für nachvollziehbar. Das Gericht spricht den enterbten Kindern auch einen Anspruch auf Erstattung der Gutachterkosten von 357,00 € aus Geschäftsführung ohne Auftrag zu. Hieraus könne der Geschäftsführer wie ein Beauftragter Ersatz seiner Aufwendungen verlangen, wenn die Übernahme der Geschäftsführung dem Interesse und dem wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entspreche; dies allerdings nur, soweit der Geschäftsführer die Aufwendungen für erforderlich halten durfte. Eine Erstattung der Kosten eines vom Auftraggeber vorgerichtlich beauftragten Sachverständigen komme zwar nur in Betracht, wenn die Beauftragung des Gutachters unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls nach Zeitpunkt, Inhalt und Umfang des Auftrags bei objektiver verständiger Sicht dem Auftraggeber erforderlich erscheinen musste. Dies sei hier aber deshalb der Fall gewesen, weil die Erbin darauf bestanden habe, der Verkehrswert der streitgegenständlichen Immobilie betrage nur 60.000,00 €. Da dies trotz ersichtlich entgegenstehender Anhaltspunkte und der Aufforderung der Geschwister, einen höheren Betrag anzuerkennen, erfolgte, durften sich die Pflichtteilsberechtigten weiterleiten unter Zugrundlegung eines objektiven Bewertungsmaßstabes nachvollziehbar herausgefordert fühlen, einen Sachverständigen zur Klärung der streitigen Sachlage hinzuzuziehen.

Fazit

In diesem Fall war der Wert des Nachlasses bis auf die Immobilie zwischen den Pflichtteilsberechtigten und der Erbin unstreitig. Die Kosten für die Erstattung des Gutachtens waren verhältnismäßig gering. In einem solchen Fall mag die Beauftragung eines Sachverständigen durch den Pflichtteilsberechtigten selbst zur Wertermittlung eines Grundstücks aus praktischen Gründen durchaus in Betracht kommen. Die Auswahl des Gutachters obliegt aber nach dem Gesetz dem Erben. Der Pflichtteilsberechtigte kann in der Regel nicht eigenmächtig ein Gutachten in Auftrag geben und die Kosten sodann auf den Nachlass abwälzen. Das Risiko, dass der Anspruch auf Erstattung der Gutachterkosten scheitert, ist erheblich.


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