Es ist im Einzelfall zu entschieden, ob Bewerber ohne Konfession von kirchlichen Arbeitgebern abgelehnt werden können.

|| Arbeitsrecht

EUGH, Urteil von 17.04.2018, Az. C-414/16 (Egersberger)

Einleitung

Das kirchliche Selbstbestimmungsrecht ist ein Recht mit Verfassungsrang, das das Grundgesetz allen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften gewährt und das diesen Freiheit von staatlicher Einmischung garantiert. Es basiert auf dem Grundrecht der Religionsfreiheit aus Artikel 4 des Grundgesetzes und dem staatskirchenrechtlichen Prinzip der Trennung von Staat und Kirche, das in den Artikeln 136, 137, 138, 139 und 141 der Weimarer Reichsverfassung in Verbindung mit Artikel 140 Grundgesetz zum Ausdruck kommt. Die Kirchen leiten daraus ein Sonderrecht für die Gestaltung ihrer Arbeitsverhältnisse ab. Der EUGH hatte jetzt in einem aufsehenerregenden Fall zu entscheiden, ob die durch Kirchenbeitritt zum Ausdruck gebrachte Religionszugehörigkeit Voraussetzung für eine Einstellung gemacht werden kann.

Sachverhalt

Das Evangelische Werk für Diakonie und Entwicklung Deutschland lud die konfessionslose Stellenbewerberin Vera Egersberger nicht zu einem Vorstellungsgespräch ein. Es ging um eine befristete Referentenstelle für ein Projekt, das die Erstellung des Parallelberichts zum Internationalen Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeder Form von rassistischer Diskriminierung zum Gegenstand hatte. Dazu gehörte auch die Vertretung der Diakonie Deutschland gegenüber der Politik und der Öffentlichkeit als auch die Koordinierung des internen Meinungsbildungsprozesses. Nach den Anforderungen der Stellenausschreibung mussten die Bewerber Mitglied einer evangelischen oder einer der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland angehörenden Kirche sein.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) ersuchte den EuGH um Auslegung der Antidiskriminierungsrichtlinie 2000/78/EG (RiLi). Diese zielt auf den Schutz des Grundrechts der Arbeitnehmer ab, u. a. nicht wegen ihrer Religion oder Weltanschauung diskriminiert zu werden. Zudem trägt die RiLi aber auch dem im Unionsrecht – insbesondere in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union – anerkannten Recht der Kirchen und der anderen öffentlichen oder privaten Organisationen, deren Ethos auf religiösen Grundsätzen oder Weltanschauungen beruht, auf Autonomie Rechnung.

Entscheidung

Der EuGH entschied, das kirchliche Selbstbestimmungsrecht gehe nicht so weit, dass die Kirchen verbindlich über das Erfordernis der Religion für eine bestimmte Stelle entscheiden können. Es unterliege der Überprüfung der nationalen Gerichte, ob die Religionszugehörigkeit für die Position "wesentlich, rechtmäßig und gerechtfertigt" objektiv geboten sei. Sie für eine Stelle vorauszusetzen, müsse zudem verhältnismäßig sein. Ansonsten ginge "die Kontrolle der Einhaltung dieser Kriterien völlig ins Leere", so der EuGH.

Aus dem Begriff "wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung" in Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78 gehe ausdrücklich hervor, dass es von der "Art" der fraglichen Tätigkeiten oder den "Umständen" ihrer Ausübung abhängt, ob die Religion oder Weltanschauung eine solche berufliche Anforderung darstellen könne.

Das Verbot jeder Art von Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung habe als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts zwingenden Charakter. Dieses in Art. 21 Abs. 1 der Charta niedergelegte Verbot verleiht schon für sich allein dem Einzelnen ein Recht, das er in einem Rechtsstreit, der einen vom Unionsrecht erfassten Bereich betrifft, als solches geltend machen kann.

Fazit

Das Urteil dürfte weitreichende Folgen haben: Die Kontrolle ist nun durch die ausdrückliche Berufung auf die Art der Tätigkeit und die Bezugnahme auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz strenger als die vom Bundesverfassungsgericht gesetzten. Man wird abwarten müssen wie das BAG den Spagat zwischen Europarecht und Verfassungsrecht meistert.


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