Kein Anspruch auf Versetzung bei Maskenbefreiungsattest

|| Arbeitsrecht

LAG Hamburg, Urteil vom 13.10.2021 Az.: 7 Sa 23/21

Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim hat in einer zum öffentlichen Dienstrecht ergangenen Entscheidung (Beschluss vom 08.07.2021, Az. 1 S 2111/21) die Anforderungen definiert, denen ein ärztliches Attest zur Befreiung von einer behördlich angeordneten Maskenpflicht genügen müsse. Das Attest müsse zwar nicht sämtliche Diagnosen und Befundtatsachen enthalten, solle den Dienstherrn aber in die Lage versetzen, das Vorliegen der Gründe, aufgrund derer das Tragen einer Maske unzumutbar sein solle, insbesondere in Zweifelsfällen, eigenständig zu prüfen. Das Attest müsse deshalb spätestens auf Nachfrage plausible und nachvollziehbare Angaben enthalten, die es dem Dienstherrn ermögliche, festzustellen, ob die geltend gemachten Gründe tatsächlich vorliegen.

Die Arbeitsgerichte hatten sich im Zusammenhang mit der Vorlage eines anzuerkennenden Attestes zur Befreiung von der Maskenpflicht mit Folgeproblemen zu beschäftigen, u.a. ob der Arbeitnehmer die Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz verlangen kann, auf dem das Tragen einer MNS-Maske nicht erforderlich ist oder ob ihm die Tätigkeit vom Home Office aus ermöglicht werden muss.

Die Entscheidung des LAG Hamburg beschäftigt sich mit der Frage, ob der Arbeitgeber in Annahmeverzug gerät, wenn er den Arbeitnehmer unter Berufung auf den Gesundheitsschutz nicht beschäftigt und ihm auch keinen anderen Arbeitsplatz zuweist.

Sachverhalt

Die Parteien streiten u. a. über die Zahlung von Annahmeverzugslohn. Ein in einem Geldinstitut Beschäftigter Finanzberater wurde am 19.10.2020, zu einer Zeit steigender Coronazahlen, von seinem Vorgesetzten dazu aufgefordert, entsprechend der Vorgaben des Geldinstituts eine Mund-Nasen-Bedeckung anzulegen. Dies verweigerte der Finanzberater unter Hinweis auf gesundheitliche Gründe. Er wurde daraufhin angewiesen, die Filiale zu verlassen und ein Attest über die Befreiung von der Maskenpflicht vorzulegen. Daraufhin ließ sich Finanzberater von seinem Arzt ein „Ärztliches Attest“ ausstellen, in dem es heißt:

„Nach Anamnese und Untersuchung in meiner Praxis stelle ich hiermit fest: Der o. g. Patient ist wegen einer Grunderkrankung vom Tragen einer mechanischen Mund-Nasen-Bedeckung im Rahmen der Corona-Verordnungen befreit, weil diese für ihn kontraindiziert ist. Es besteht ein Psychotrauma aus der Kindheit im 7. Lebensjahr. Die Maske führt im Rahmen einer PTBS zu Retraumatisierungen.“

Dieses Attest übersandte der Finanzberater an die Betriebsärztin des Geldinstituts, die dem Arbeitgeber daraufhin mitteilte, dass der Arbeitnehmer zum jetzigen Zeitpunkt aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage sei, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen. Der Finanzberater regte gegenüber dem Arbeitgeber in einem Telefonat seine vorübergehende Beschäftigung in einer Filiale an, in deren unmittelbarer Nähe er wohnt. Dort könne er ein Einzelbüro ohne Kontakt zu Kollegen und Kunden über einen Nebeneingang erreichen und im Bedarfsfall anstelle der betrieblichen Sanitär- und Sozialräume mit wenig Zeitaufwand seine eigenen Räumlichkeiten zu Hause nutzen. Dieser Anregung folgte der Arbeitgeber nicht. Sie teilte dem Arbeitnehmer mit, dass ihr derzeit keine Arbeitsplätze zur Verfügung ständen, auf denen sie ihm eine Tätigkeit ohne das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung ermöglichen könne. Sie werde ihm keine Vergütung mehr zahlen.

Entscheidung

Das LAG hat die Klage abgewiesen. Die Vorlage eines „Maskenbefreiungsattestes“ schließe das Direktionsrecht des Arbeitgebers nicht aus. Die Konkretisierung der Arbeitspflicht nach § 106 Satz 1 GewO bleibe Sache des Arbeitgebers.

Das Interesse des Arbeitgebers, den Ausstoß von Aerosolen durch die Anordnung einer Mund-Nasen-Bedeckung auf dem geringstmöglichen Niveau zu halten, gehe dem Interesse des Arbeitnehmers regelmäßig auch dann vor, wenn er aus gesundheitlichen Gründen keine Mund-Nasen-Bedeckung tragen könne.

Aus § 296 BGB folgt keine Verpflichtung des Arbeitgebers, die Arbeitspflicht nach den Wünschen oder Belangen des Arbeitnehmers zu bestimmen.

Die Verpflichtung des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer einen leidensgerechten Arbeitsplatz zuzuweisen, begründe keinen Annahmeverzugslohnanspruch, sondern allenfalls einen Anspruch auf Schadensersatz. Ein Schadensersatzanspruch habe jedoch höhere Voraussetzungen, insbesondere verlange er ein Verschulden des Arbeitgebers.

Ein Schadensersatzanspruch sei ein anderer Streitgegenstand als ein Annahmeverzugslohnanspruch.
Das vom Arbeitgeber ausgeübte Direktionsrecht in Bezug auf das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung sei rechtmäßig gewesen.

Fazit

Das LAG Hamburg liegt auf einer Linie mit der Entscheidung des LAG Köln vom 12.4.2021, nach der die Anordnung des Tragens eine Mund-Nasen-Bedeckung vom Direktionsrecht aus Gründen des Infektions- und Gesundheitsschutzes in Zeiten der Corona-Pandemie angemessen und verhältnismäßig ist. Ferner folgt das LAG Hamburg in seiner Begründung den Ausführungen des BAG vom 14.10.2020 zur Abgrenzung von Annahmeverzugslohn und Schadensersatzanspruch.

Zu beachten ist, dass dem Arbeitnehmer, dem die Erbringung seiner Arbeitsleistung aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich ist, ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz zustehen kann. Macht der Arbeitnehmer geltend, dass der Arbeitgeber ihn auf einem leidensgerechten Arbeitsplatz beschäftigen könne, muss er konsequenterweise darlegen, dass der Arbeitgeber die pflichtgemäße Ausübung seines Direktionsrechts schuldhaft unterlassen hat. Entgeltansprüche aus Annahmeverzug bestehen in diesen Fallkonstellationen nicht.


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