Keine Geltendmachung des Anspruchs aus einer beeinträchtigenden Schenkung durch eine Miterbin für die Erbengemeinschaft

|| Erbrecht

BGH, Urt. v. 10.3.2021 – IV ZR 8/20

Sachverhalt
Der Erblasser (E) und seine vor ihm verstorbene Ehefrau (F) hatten sich in einem notariellen gemeinschaftlichen Testament von 1997 gegenseitig als Alleinerben und als Schlusserben eine Nichte der F, weiterhin I.H. und J.P. sowie u.a die Tochter der Letztgenannten, M.Z., als Ersatzschlusserbin eingesetzt. Die Eheleute hatten ausdrücklich bestimmt, dass „die in diesem Testament niedergelegten Verfügungen … wechselbezüglich“ seien und „nur gemeinschaftlich geändert oder durch Widerruf beseitigt werden“ könnten.

Eine beklagte Nachbarin des E überwies aufgrund einer Bankvollmacht im März 2010 von einem Konto des E einen Betrag von 106.527,23 € mit dem Verwendungszweck „Schenkung“ und im Oktober 2010 vom Sparkonto des E einen weiteren Betrag von 50.000 € mit dem Verwendungszweck „Übertrag Sparbuch“ auf ihr eigenes Konto. Mit notarieller Urkunde vom 3.2.2011 erklärte E, seit 2009 habe er der Nachbarin, die sich regelmäßig um ihn kümmere und zu der er seit Jahrzehnten ein nachbarschaftliches und später freundschaftliches Verhältnis habe, mehrfach größere Geldbeträge geschenkt. Sie habe in seinem vollen Einverständnis aufgrund der erteilten Vollmacht Bankgeschäfte getätigt. Die entsprechenden Beträge habe er der Bekl. geschenkt. Alle Abhebungen und Schenkungen seien aus seiner Sicht ordnungsgemäß erfolgt. Die Bekl. schulde keine Auskunft und Rückzahlung. Die Schenkungen habe er aufgrund „einer großen Sympathie“ für die Nachbarin vorgenommen.

Am 11.7.2011 überwies die Nachbarin einen weiteren Betrag i.H.v. 50.000 € vom Sparbuch des E auf ihr Konto mit dem Verwendungszweck „für Betreuungsaufgaben“.

Die im gemeinschaftlichen Testament als Schlusserbin eingesetzte Nichte verlangt die Rückzahlung der vorgenannten Beträge an die Erbengemeinschaft. Wirksame Schenkungsverträge hätten nicht vorgelegen; E habe von den Überweisungen keine Kenntnis gehabt.

Entscheidung
Nach Auffassung des Berufungsgerichtes hat die Nichte unabhängig davon, ob die Schenkungen wirksam waren oder nicht, gegen die Bekl. einen Anspruch auf Rückzahlung der genannten Beträge an die Erbengemeinschaft. Soweit die Schenkungen trotz Notartermins vom 3.2.2011 unwirksam gewesen sein sollten, folge der Anspruch aus § 812 Abs. 1 BGB. Die Nachbarin habe in diesem Fall durch die Überweisungen jeweils einen Zahlungsanspruch ohne Rechtsgrund gegen die Bank erlangt und sei demnach zur Rückzahlung verpflichtet. Sollte der Mangel der Form des Schenkungsversprechens gem. §§ 518 Abs. 2, 185 Abs. 2 BGB durch Genehmigung der Leistung geheilt worden und sollten die Schenkungen dementsprechend wirksam sein, beruhe der Anspruch auf § 2287 Abs. 1 BGB analog.

E habe mit F einen wirksamen Erbvertrag geschlossen und die Nichte neben den weiteren Miterben als Nach- bzw. Ersatznacherben eingesetzt. Er habe alle Schenkungen an die Bekl. in der Absicht gemacht, die Vertragserben zu schädigen. Nach der vorzunehmenden Abwägung seien die Verfügungen auf eine Korrektur des Erbvertrags angelegt und es sei kein billigenswertes lebzeitiges Eigeninteresse anzunehmen. Die Nachbarin habe auch keine Tatsachen dargelegt, aus denen sich ergebe, dass ihre Bereicherung weggefallen sei.

Der BGH hat zunächst klargestellt, dass die Nichte für die Erbengemeinschaft gem. § 2287 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Erstattung der vor dem Tod des E von der Bekl. an sich selbst überwiesenen Geldbeträge nach ihrer Erbquote geltend machen könne. Der Anspruch nach § 2287 Abs. 1 BGB falle nach ständiger Rechtsprechung schon des Reichsgerichts nicht in den Nachlass. Wenn mehrere bindend eingesetzte Schlusserben vorhanden sind, stehe dieser Anspruch nicht den Erben gemeinschaftlich zu, sondern jedem von ihnen persönlich, und zwar zu einem seiner Erbquote entsprechenden Bruchteil (Senat v. 21.6.1989 – IVa ZR 302/87, BGHZ 108, 73, NJW 1989, 2389; v. 3.7.1980 – IVa ZR 38/80, BGHZ 78, 1, NJW 1980, 2461; jeweils mwN; ferner ZEV 2016, 641; ZEV 2012, 37).

Der Anspruch auf Rückzahlung würde nur in den Nachlass fallen, wenn die Schenkung trotz des notariellen Vertrages unwirksam und daher rechtsgrundlos gewesen wäre. Dies sei vom Berufungsgericht nach zurück Verweisung der Sache nach zu klären, bevor die weiteren Tatbestandsmerkmale des §§ 2287 Abs. 1 BGB zu prüfen sind.

Fazit
Der Herausgabeanspruch aus § 2287 Abs. 1 BGB gehört nicht zum Nachlass. Bei Vorhandensein mehrerer Vertrags- bzw. bindend eingesetzter Schlusserben, steht dieser Anspruch nicht den Erben gemeinschaftlich zu, sondern jedem von ihnen persönlich, und zwar zu einem seiner Erbquote entsprechenden Bruchteil.

Es dürfte zweifelhaft sein, ob die in Rede stehenden Überweisungen ohne Rechtsgrund erfolgt sind. Für die ersten beiden Überweisungen spricht aufgrund der notariell beurkundeten Erklärung des E viel dafür, dass wirksame Schenkungen vorlagen. Bei der dritten Zahlung wird es darauf ankommen, ob Betreuungsleistungen abgegolten wurden und ggf. eine Entgeltabrede bestand. Bei Annahme einer Schenkung wäre zu klären, ob sie in Beeinträchtigungsabsicht erfolgt ist.


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