Kopftuchverbot während der Arbeit als mittelbare Diskriminierung

|| Arbeitsrecht

LAG Nürnberg, Urteil vom 27.3.2018, Az.: 7 Sa 304/17

Einleitung

Der Arbeitgeber muss, wenn er auf sein Direktionsrecht gestützte Bekleidungsregeln festlegen möchte, grundsätzlich die grundrechtlich geschützte Glaubensfreiheit der Arbeitnehmer berücksichtigen. Das Tragen eines Kopftuchs aus religiöser Überzeugung fällt in den Schutzbereich von Art. 4. Zwar genießt auch die unternehmerische Betätigungsfreiheit des Arbeitgebers grundrechtlichen Schutz (Art. 12 GG). Zwischen beiden Positionen ist deshalb ein möglichst weitgehender Ausgleich herbeizuführen, der eine Kündigung nur zulässt, wenn der Arbeitgeber konkrete betriebliche Beeinträchtigungen darlegen kann.
Das Verbot, während der Arbeitszeit aus religiösen Gründen ein Kopftuch zu tragen, stellt eine mittelbare Diskriminierung i. S. d. § Drei Abs. 2 AGG dar.

Sachverhalt

Der Arbeitgeber betreibt eine bundesweite Drogeriemarktkette. Die langjährige beschäftigte Verkaufsberaterin und Kassiererin wollte nach Ende ihrer Elternzeit im Jahr 2014 ihre Arbeit wieder aufnehmen, wobei sie anders als vor der Elternzeit nun ein Kopftuch trug. Der Arbeitgeber wies die Arbeitnehmerin zuletzt an, entsprechend einer bestehenden Kleiderordnung ohne auffällige großflächige religiöse, politische und sonstige weltanschauliche Zeichen am Arbeitsplatz zu erscheinen und ihre Arbeit aufzunehmen. Da die Arbeitnehmerin dieser Anweisung nicht nachkam, erfolgte im Zeitraum von Juni 2016 bis Mitte Januar 2017 – im Anschluss befand sie sich in Mutterschutz und Elternzeit – kein Arbeitseinsatz und auch keine Entgeltzahlung mehr.

Entscheidung

das LAG Nürnberg entschied, die erteilte Anweisung sei nicht vom Direktionsrecht gedeckt. Unter Zugrundelegung der Richtlinie 2000/78 bzw. § 3 Abs. 2 AGG sei dabei von einer mittelbaren Diskriminierung der Klägerin wegen der Merkmale „Religion“ und „Geschlecht“ auszugehen. Eine sachliche Rechtfertigung der Weisung sei auch unter Berücksichtigung der Entscheidungen des EuGH vom 13.3.2017 nicht gegeben, da diese mit dem Sachverhalt des vorliegenden Verfahrens schon nicht vergleichbar wären. Anders als bei Unternehmen des Dienstleistungssektors, zu denen der EuGH entschieden hatte, sei die Arbeitgeberin als Einzelhandelsunternehmen nicht in besonderem Maße darauf angewiesen, dass ihre Mitarbeiter von den Kunden akzeptiert werden würden, da der Kontakt zwischen Kunde und Mitarbeiter insoweit nur relativ gering ausfiele. Da ferner kopftuchtragende Frauen im Einzelhandel nicht nur als Kundinnen, sondern auch als Verkaufspersonal auftreten würden, seien auch wirtschaftliche Nachteile für die Beklagte nicht zu erwarten. Im Ergebnis könne der rein auf einer subjektiven Befindlichkeit beruhende Wunsch, eine Neutralitätspolitik zu betreiben, kein schützenswertes Gut der unternehmerischen Freiheit darstellen, welches die Ungleichbehandlung der Klägerin zu rechtfertigen vermöge. Dies gelte auch deshalb, weil sich die Arbeitgeberin zu ihren Gunsten auch nicht auf Privilegierungen kirchlicher Arbeitgeber oder des Öffentlichen Diensts berufen könne. Würde man gleichwohl nicht von einer Diskriminierung i. S. d. §§ 3 Abs. 2, 1 AGG ausgehen, sei die Anweisung dennoch unwirksam, da sie die Grundrecht aus Art. 4 GG verletze. Da die Arbeitnehmerin durch das Tragen des Kopftuchs bei der Ausübung ihrer vertraglich geschuldeten Tätigkeit nicht eingeschränkt sei, wirtschaftliche Nachteile für die Arbeitgeberin durch das Kopftuch der Klägerin nicht festgestellt werden könnten und in einer pluralistischen Gesellschaft zudem kein Recht darauf bestünde, von der Konfrontation mit fremden Glaubensbekundungen oder religiösen Symbolen verschont zu werden, müsse die Abwägung der betroffenen Grundrechte zugunsten der Arbeitnehmerin ausgehen. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache hat das LAG die Revision zugelassen.

Fazit

Die Entscheidung ist insofern bemerkenswert, als es sich um einen Fall aus dem Einzelhandel bei einer Verkaufstätigkeit mit unmittelbarem Kundenkontakt handelt. Der EuGH hat in einem anderen Fall das Kopftuchverbot des Arbeitgebers gehalten, es aber mit Voraussetzungen verknüpft: Es bedürfe erstens einer internen allgemeinen über Religion hinausgehenden Regel, die zweitens auch gelebt und gleichermaßen angewendet werde – auch das Tragen des Kreuzes oder weltanschauliche Bekenntnisse anderer Art (z.B. ein Button mit esoterischen Aussagen) haben untersagt zu sein. Zusätzlich seien drittens mildere Wege zu prüfen. Dies beinhalte auch die Prüfung des Einsatzes auf einer anderen Stelle.
Das BAG wird den Sachverhalt im Lichte der aktuellen EuGH-Entscheidungen neu beurteilen und hoffentlich für mehr Rechtssicherheit bei der Frage sorgen, ob und in welchen Fällen ein Arbeitgeber in einem nicht öffentlichen Arbeitsverhältnis das Tragen eines Kopftuches aus religiösen Gründen in seinem Betrieb dulden muss.


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