Kostentragungspflicht des Arbeitgebers bei Betriebsratsschulungen – wertvolle Seminarbeigaben

|| Arbeitsrecht

BAG, Beschluss vom 17.11.2021 – 7 ABR 27/20

Einleitung

Nach § 40 Abs. 1 BetrVG trägt der Arbeitgeber die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstandenen Kosten. Die Vorschrift führt in der Praxis häufig zu Streit unter den Betriebsparteien. Büro- und IT-Ausstattung, Telefonanlage, Literatur, Sekretärin, Anwaltshonorare, Kosten für Sachverständigengutachten, Lohnkosten für Freistellung wegen Betriebsratstätigkeit. Die Liste der Kosten ist lang.

Zu den nach § 40 I BetrVG vom AG zu tragenden Kosten, die durch die Betriebsratstätigkeit entstehen, gehören auch die Kosten, die im Rahmen einer Schulungsveranstaltung nach § 37 VI BetrVG entstanden sind. Neben den eigentlichen Seminargebühren hat der Arbeitgeber die notwendigen Reise-, Übernachtungs- und Verpflegungskosten zu tragen. Die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers ist aber durch das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit (§ 2 I BetrVG) begrenzt. Der Betriebsrat soll die durch seine Tätigkeit verursachten Kosten auf das notwendige Maß beschränken. Danach müsste der Betriebsrat also eine möglichst kurze Schulungsdauer und grundsätzlich zur Reduzierung von Reisekosten den nächstgelegenen Schulungsort wählen. Die Rechtsprechung billigt dem Betriebsrat einen eigenen Beurteilungsspielraum zu. Der Arbeitgeber kann die Übernahme der Kosten damit im Ergebnis nur verweigern, wenn der Betriebsrat Entscheidungen trifft, die von diesem Beurteilungsspielraum nicht mehr gedeckt sind. Der Betriebsrat muss nicht die kostengünstigste Schulungsveranstaltung auswählen. Eine nicht unerhebliche Preisdifferenz zwischen mehreren Angeboten muss er mit sachlichen Argumenten begründen. In formeller Hinsicht muss die Schulungsteilnahme durch einen ordnungsgemäß zustande gekommenen auf ein konkretes Betriebsratsmitglied und auf eine konkrete, nach Zeitpunkt und Ort bestimmte Schulung bezogenen Betriebsratsbeschluss gedeckt sein.

Bei dem vom BAG jetzt entschiedenen Fall ging es um die Frage, ob der Arbeitgeber die Kosten einer Schulungsveranstaltung zu tragen hat, für die der Veranstalter in den Seminargebühren inbegriffen u.a. ein Tablet zur Verfügung stellt, das die Teilnehmer behalten dürfen.

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Arbeitgeberin verpflichtet ist, den Betriebsrat von Schulungskosten freizustellen und entstandene Reisekosten zu erstatten. Für die Teilnahme eines Betriebsratsmitglieds an dieser Schulung fiel nach einer Preisauskunft des Veranstalters eine Seminargebühr i. H. v. 699 EUR und eine Tagespauschale für Tagesgäste ohne Übernachtung inklusive Mittagessen i. H. v. 58,82 EUR – jeweils zzgl. MwSt. – an. Gegenstand des Angebots des Seminarveranstalters war die Überlassung eines sog. „Starter-Sets“ an die Teilnehmer, bestehend aus einem „Tablet für die Betriebsratsarbeit“, einem Handkommentar zum BetrVG (Fitting), einer DTV-Ausgabe der Arbeitsgesetze, einem USB-Stick, einem Laser Pointer, einem Taschenrechner und einer „praktischen Tasche“. Auch konnte jeder Teilnehmer eine kostenfreie anwaltliche Erstberatung durch einen erfahrenen Rechtsanwalt in Anspruch nehmen.

Der Arbeitgeber lehnte die Kostenübernahme ab. Der Betriebsrat verlangte, ihn von den Kosten der Teilnahme des Betriebsratsmitglieds an dem fraglichen Seminar freizustellen und ihm die entstandenen Reisekosten zu erstatten sowie ihn von den Kosten der Tagungspauschale freizustellen. Das ArbG hat den Anträgen stattgegeben. Das LAG hat die dagegen gerichtete Beschwerde zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde an das BAG zugelassen.

Entscheidung

Die Rechtsbeschwerde des Arbeitgebers hat das BAG als unbegründet zurückgewiesen. Bei der Entscheidung über die Erforderlichkeit der Schulungsteilnahme stehe dem Betriebsrat ein Beurteilungsspielraum zu. Dabei dürfe die Entscheidung nicht allein an seinen subjektiven Bedürfnissen ausrichten. Verlangt werde vielmehr, dass die betrieblichen Verhältnisse und die sich dem Betriebsrat stellenden Aufgaben berücksichtigt werden. Der Betriebsrat sei verpflichtet, den Arbeitgeber nur mit Kosten zu belasten, die er für angemessen halten dürfe. Dabei beziehe sich der Beurteilungsspielraum auch auf den Inhalt der Schulungsveranstaltung. Das LAG habe bei seiner Beurteilung der Erforderlichkeit der st. Rspr. des BAG zugrunde gelegt. Insbesondere sei die Annahme des LAG, der Betriebsrat habe dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ausreichend Rechnung getragen, nicht zu beanstanden. Der Seminarpreis habe nach dem festgestellten Sachverhalt im Rahmen des Marktüblichen gelegen. Andere Veranstalter, die auf derartige Werbeartikel verzichteten, hätten vergleichbare Seminare nicht deutlich günstiger angeboten. Es sei davon auszugehen, dass die Teilnahme des Betriebsratsmitglieds an der streitigen Schulung auch ohne das Versprechen von Seminarbeigaben vereinbart worden wäre. Dasselbe Seminar sei nicht – unter Verzicht auf die Beigaben – zu einem günstigeren Preis buchbar gewesen.

Das BAG hat offengelassen, ob das Betriebsratsmitglied durch die mit der Schulungsmaßnahme verbundene Zusage kostenloser Beigaben nach § 78 S. 2 BetrVG unzulässig begünstigt worden ist. Eine Nichtigkeit dieser Zusage führe nicht zur Nichtigkeit des gesamten Schulungsvertrags. Nach §§ 134, 139 BGB habe die Teilnichtigkeit die Nichtigkeit des ganzen Rechtsgeschäfts nur dann zur Folge, wenn anzunehmen sei, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde.

Fazit

Bei der Entscheidung über die Erforderlichkeit der Schulungsteilnahme steht dem Betriebsrat ein Beurteilungsspielraum zu. Dabei ist der Betriebsrat verpflichtet, den Arbeitgeber nur mit Kosten zu belasten, die er für angemessen halten darf.

Nach der Entscheidung des BAG sind wertvolle Seminarbeigaben unbeachtlich, wenn der Preis für die Teilnahme an dem Seminar im Bereich des Marktüblichen liegt.

Die Entscheidung greift m.E. zu kurz, wenn es die Begünstigung des Betriebsratsmitglieds durch ein Geschenk in Höhe von wohl über 100 € im Ergebnis für unschädlich hält. Der Wert der vom Betriebsratsmitglied in Anspruch genommenen notwendigen und erforderlichen Schulungsleistung des Veranstalters beurteilt sich nach den konkreten Verhältnissen. Geschenke des Veranstalters an die Teilnehmer sind weder notwendig noch erforderlich. Der tatsächliche Wert der von einem Veranstalter erbrachten Schulungsleistung ermittelt sich daher abzüglich des Wertes einer kostenlosen Beigabe. Auf die Marktüblichkeit kann es in diesem Zusammenhang nicht ankommen.

Die Begünstigung eines Betriebsratsmitglieds durch Geschenke ist nach §§ 78 S. 2, 119 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG schlicht verboten. Der Arbeitgeber darf die Seminarkosten nur in der Höhe erstatten, die sich nach Abzug des Wertes für das Geschenk ergeben, wenn er sich nicht den Vorwurf einer Straftat wegen Begünstigung des Betriebsrates nach § 119 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG aussetzen will. Denn im Falle der Übernahme der Seminarkosten in voller Höhe handelt es um eine verbotene Zuwendung des Arbeitgebers. Der Beschluss des Betriebsrates zur Entsendung des Betriebsratsmitglieds auf eine Schulungsveranstaltung, die eine verbotene Zuwendung beinhaltet, ist daher gesetzeswidrig. Etwas anderes könnte man allenfalls dann annehmen, wenn der Betriebsrat den Beschluss gefasst hätte, für seine Betriebsratstätigkeit die kostenlosen Beigaben anzuschaffen. Die Erstattungsfähigkeit hinge dann davon ab, ob der Betriebsrat die Gegenstände der Beigabe als für seine Betriebsratstätigkeit erforderlich ansehen durfte. Eine Überführung des Tablets in den privaten Gebrauch des Betriebsratsmitglieds wäre aber in jedem Fall unzulässig.


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