Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Einstellung „Bewerbungsmatrix“

|| Arbeitsrecht

LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 27.02.2018 – 1 TaBV 25/17

Einleitung

Trägt der Arbeitgeber das Ergebnis eines Bewerbungsverfahrens nach der Entscheidung über die Person des geeignetsten Bewerbers in eine Bewertungsmatrix ein, die allein für diese Einstellungsentscheidung anhand der Anforderungen der Stellenbeschreibung erstellt worden ist, handelt es sich bei dieser Bewerbungsmatrix nicht um Beurteilungsgrundsätze im Sinne des § 94 Abs. 2 S. 2 BetrVG.
Beurteilungsgrundsätze sind Regelungen, die der Beurteilung von Leistung und Verhalten der Arbeitnehmer dienen und für eine bestimmte Gruppe von Arbeitnehmern und nicht nur individuell für einzelne gelten. Beispiele sind Grundsätze über die Effektivität der Arbeit, die Sorgfalt der Ausführung der Arbeit, über Selbstständigkeit und Belastbarkeit, Zusammenarbeit und Anpassungsfähigkeit der Arbeitnehmer. Derartige allgemeine Grundsätze unterliegen dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates, § 94 BetrVG, wenn sie schriftlich oder elektronisch eine Fixierung erfahren haben und ihre Anwendung nach einer bestimmten Verfahrensweise erfolgt. Das Mitbestimmungsrecht erstreckt sich auch auf die Ausgestaltung des Beurteilungsverfahrens.
Nicht mitbestimmt sind Fähigkeitsprofile in Bezug auf einzelne AN, Kriterien der Arbeitsplatzbewertung, Arbeitsplatzbeschreibung, Führungsrichtlinien und Zielvereinbarungen.

Sachverhalt

Arbeitgeber und Betriebsrat streiten über die Berechtigung des Arbeitgebers zur Einstellung eines Bewerbers. Der Widerstand des Betriebsrates beruht auf dem Umstand, dass sich auf die offene Stelle ein Betriebsratsmitglied beworben und der Arbeitgeber einen anderen Arbeitnehmer eingestellt hatte. An den fünf Bewerbungsgesprächen nahm jeweils auch der Vorsitzende des Betriebsrats teil. Im Anschluss an die Bewerbungsgespräche fand eine Bewertung der Bewerbungen durch die Mitglieder der Auswahlkommission statt. Die Bewerber wurden bepunktet. Das Ergebnis der Bewertung trug der Arbeitgeber in eine Matrix ein. An diesem Vorgang war der Betriebsratsvorsitzende nicht mehr beteiligt. Das sich bewerbende Betriebsratsmitglied erhielt die niedrigste Punktzahl aller Bewerber. Der Arbeitgeber bat um Zustimmung zur Einstellung des Kandidaten mit den meisten Punkten. Dem Zustimmungsantrag war die Bewertungsmatrix nicht beigefügt. Der Betriebsrat verweigerte die Zustimmung zur Einstellung. Die Betriebsparteien streiten im gerichtlichen Verfahren über die Frage, ob die Bewertungsmatrix dem Betriebsrat hätte beigefügt werden müssen.

Entscheidung

Das LAG hat auf die Beschwerde des Betriebsrats den Hauptantrag des Arbeitgebers als unbegründet zurückgewiesen.
Das LAG hat entgegen den Ausführungen des ArbG eine fristgemäße Zustimmungsverweigerung durch den Betriebsrat nach § 99 Abs. 2 BetrVG angenommen. Der Betriebsrat – auch ohne die Vorlage der Bewertungsmatrix - sei ordnungsgemäß über die beabsichtigte Einstellung unterrichtet worden. Ihm hätten die Bewerbungsunterlagen sämtlicher Bewerber vorgelegen und er habe durch seine Teilnahme Kenntnis von allen Erklärungen gehabt, die von den Bewerbern im Rahmen der Bewerbungsgespräche abgegeben worden waren. Bereits in der Abschlussbesprechung sei man sich über den am geeignetsten Bewerber einig gewesen. Die später erstellte Bewertungsmatrix habe lediglich die Auswahlentscheidung des Arbeitgebers verschriftlicht. Daher stelle ihre Verwendung keine allgemeinen Beurteilungsgrundsätze im Sinne des § 94 Abs. 2 BetrVG dar. Es handele sich lediglich um ein Mittel zur Herstellung der Transparenz der getroffenen Entscheidung. Die Zustimmungsverweigerung sei allerdings relevant, da der Betriebsrat einen Verstoß gegen eine Betriebsvereinbarung und damit eine Auswahlrichtlinie gerügt hat.

Fazit

Die Entscheidung verdeutlicht den Unterschied zwischen abstrakt formulierten allgemeinen Beurteilungsgrundsätzen und der bloßen Dokumentation eine Auswahlentscheidung. Sofern der Arbeitgeber jedoch für ein Bewerbungsverfahren Kriterien abstrakt allgemein festlegt, anhand derer er die Bewerber beurteilt, kann es sich insoweit um eine Auswahlrichtlinie nach § 95 BetrVG handeln, deren Aufstellung die Zustimmung des Betriebsrates voraussetzt.


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