Notarielles Verzeichnis zugunsten eines Pflichtteilsberechtigten muss Angaben zu Verwendung von Oder-Konten enthalten

|| Erbrecht

Oberlandesgericht (OLG) München, Beschl. vom 9.8.2021 (33 W 775/21)

Einleitung

Wer als nächster Angehöriger enterbt ist, kann vom Erben seinen Pflichtteil verlangen. Dabei handelt es sich um einen Zahlungsanspruch in Höhe eines Bruchteils des Nettonachlasses. Um diesen berechnen zu können, muss der Pflichtteilsberechtigte also die Nachlasswerte kennen. Hierzu gesteht ihm das Gesetz Auskunftsansprüche zu. Er kann vom Erben verlangen, dass dieser einen Notar mit der Erstellung eines Nachlassverzeichnisses beauftragt und dass er bei der Aufnahme des Verzeichnisses zugegen ist.

Der Notar darf sich bei der Aufnahme eines solchen Verzeichnisses nicht darauf beschränken, anzugeben, welche Konten vorhanden sind. Vielmehr ist er gehalten bei Oder-Konten auch in Erfahrung zu bringen, welche Leistungen der Mitkontoinhaber von einem solchen Konto erhalten hat. Denn hierin können Schenkungen an den Mitkontoinhaber liegen, die bei der Pflichtteilsberechnung mit eingerechnet werden.

Sachverhalt

Ein Mann wird von seiner Ehefrau beerbt. Die enterbte Tochter begehrt ihren Pflichtteil und verlangt zu diesem Zweck Auskunft über den Nachlassbestand durch Vorlage eines notariellen Verzeichnisses. Das ihr sodann vorgelegte Verzeichnis hält sie für unvollständig, da hierin ein Konto angegeben sei, bei dem es sich um ein Oder-Konto handelt, auf das auch die Ehefrau zugreifen konnte. Zudem sei es ihr nicht gestattet worden, bei der Erstellung des Nachlassverzeichnisses anwesend zu sein. Sie möchte daher ein Zwangsgeld gegen die Erbin festsetzen lassen.

Entscheidung

Bei Oder-Konto sei Auskunft geschuldet, in welchem Umfang die Erbin Leistungen aus dem Konto erhalten hat.

Die Auskunft hinsichtlich der Oder-Konten des Erblassers war aber nach Ansicht des Gerichts unvollständig. Denn durch die Errichtung eines Oder-Kontos erwirbt der Mitkontoinhaber als Beschenkter bereits zu Lebzeiten den hälftigen Anteil des Sparguthabens. Auch bestehe die Möglichkeit, dass der Erblasser mit der Errichtung eines Oder-Kontos sicherstellen möchte, dass der Überlebende im Todesfall problemlos das gesamte Sparguthaben erhält. Daher setze die Erfüllung des Anspruchs auf Erstellung und Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses voraus, dass in diesem dargestellt wird, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Erbin Leistungen (insbesondere Zahlungen, Barabhebungen etc.) aus dem Oder-Konto erhalten hat. Da das notarielle Nachlassverzeichnis Angaben hierzu nicht enthalte, sei ein Zwangsgeld gegen die Erbin festzusetzen gewesen, um diese zur Erteilung der entsprechenden Auskünfte anzuhalten.

Allerdings konnte die Tochter ihren Zwangsgeldantrag nicht darauf stützen, dass sie bei der Aufnahme des Verzeichnisses nicht hinzugezogen wurde. Hierauf hat man als Pflichtteilsberechtigter zwar einen Anspruch. Diesen hatte die Tochter aber nicht explizit eingeklagt. Daher war er auch in das Urteil zugunsten der Tochter nicht aufgenommen worden, aus dem nun das Zwangsgeld vollstreckt werden soll, was aber Voraussetzung für eine Vollstreckung sei.

Fazit

Hat mit der Errichtung eines Oder-Kontos der Erblasser sicherstellen wollen, dass im Todesfall der Überlebende “problemlos” das gesamte Sparguthaben erhält, ist damit die Schenkung hinsichtlich der zweiten Hälfte des Guthabens vollzogen. Der Rechtsübergang tritt insoweit mit dem Tod des Erblassers ein. Das auf dem Oder-Konto befindliche Guthaben fällt also nicht in den Nachlass, auch nicht zur Hälfte.


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