Quarantäneanordnung bewirkt noch keinen Anspruch auf Nachgewährung von Urlaubstagen

|| Arbeitsrecht

LAG Köln, Urteil vom 13.12.2021 - 2 Sa 488/21

Einleitung

Nach § 56 I 1 und 2 IfSG haben Personen, die als Ausscheider, Ansteckungsverdächtige oder Krankheitsverdächtige iSv § 2 Nr. 6, 7, 5 IfSG durch amtliche Anordnung abgesondert werden und dadurch einen Verdienstausfall erleiden, einen Anspruch auf eine Entschädigung in Höhe ihres Verdienstausfalls. Bei Arbeitnehmern hat der Arbeitgeber für die Dauer des Arbeitsverhältnisses, längstens für sechs Wochen, die Entschädigung auszuzahlen (§ 56 Abs. 1 S. 1 IfSG). Der Arbeitgeber ist dann gezwungen, sich die vorschussweise an den Arbeitnehmer geleistete Entschädigung von der Behörde erstatten zu lassen (§ 56 Abs. 5 S. 2 IfSG). Der Staat haftet aber nur subsidiär, soweit nicht der Arbeitgeber das Entgeltrisiko auf der Grundlage arbeitsrechtlicher Regelungen trägt. Ein Entschädigungsanspruch ist nicht gegeben, wenn der Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber aus § 3 I EFZG, § 616 S. 1 BGB Entgeltfortzahlung geltend machen kann. § 616 S. 1 BGB kann im Arbeitsvertrag abbedungen werden.

Ein abgesonderter Arbeitnehmer iSd § 56 Abs. 1 IfSG ist möglicherweise auch krank iSv § 3 I EFZG. Dann verdrängt der Anspruch auf Entgeltfortzahlung den Entschädigungsanspruch nach dem Infektionsschutzgesetz.

Das LAG Köln hatte jetzt einen Fall zu entscheiden, in dem ein Arbeitnehmer während seines Urlaubs von einer Quarantäneanordnung betroffen, aber nicht krankgeschrieben war.

Sachverhalt

Der Arbeitnehmerin wurde für den Zeitraum vom 30.11.2020 bis zum 12.12.2020 Erholungsurlaub gewährt. Am 27.11.2020 verfügte die zuständige Stadtverwaltung die Absonderung bzw. häusliche Isolierung als Kontaktperson ersten Grades ihres mit dem Corona-Virus infizierten Kindes. Sie behauptete, ab dem 1.12.2020 habe auch bei ihr ein positives Corona-Testergebnis vorgelegen; Symptome waren jedoch nicht feststellbar. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erhielt die Arbeitnehmerin nicht. Die Quarantäneanordnung endete mit dem 7.12.2020. Die Arbeitnehmerin verlangte die Nachgewährung von fünf Urlaubstagen von ihrem Arbeitgeber.

Entscheidung

Die gegen das klageabweisende Urteil des ArbG eingelegte Berufung wies das LAG zurück. Die Voraussetzungen von § 9 BUrlG für die Nachgewährung von Urlaubstagen bei einer Arbeitsunfähigkeit lägen nicht vor. Diese Regelung bestimme, dass bei einer Erkrankung während des Urlaubs die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Arbeitsunfähigkeitstage auf den Jahresurlaub nicht angerechnet werden. Die Arbeitnehmerin habe ihre Arbeitsunfähigkeit jedoch nicht durch ein ärztliches Zeugnis nachgewiesen.

Eine behördliche Quarantäneanordnung stehe einem ärztlichen Zeugnis über die Arbeitsunfähigkeit nicht gleich. Eine Erkrankung - hier die Infektion mit dem Corona-Virus - gehe nicht automatisch mit einer Arbeitsunfähigkeit einher. Ein symptomloser Virusträger bleibe grundsätzlich arbeitsfähig, wenn es ihm nicht wegen der Quarantäneanordnung verboten wäre zu arbeiten.
Eine analoge Anwendung von § 9 BUrlG bei einer behördlichen Quarantäneanordnung aufgrund einer Infektion mit dem Corona-Virus scheide ebenfalls aus. Es liege weder eine planwidrige Regelungslücke noch ein mit einer Arbeitsunfähigkeit vergleichbarer Sachverhalt vor.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Die Revision zum BAG wurde zugelassen.

Fazit

Nach dieser Entscheidung hat die Arbeitnehmerin ihren Urlaubsanspruch verloren. Der Arbeitgeber hat für die Zeit des beantragten und genehmigten Urlaubs ungeachtet der Absonderungsanordnung Urlaubsvergütung zu leisten. Man wird nicht davon ausgehen können, dass während einer zur Kinderbetreuung erzwungenen Quarantäne zu Hause verbunden mit der Absage einer geplanten Reise der Urlaubszweck erreicht wird. Die Lösung über den infektionsschutzrechtlichen Entschädigungsanspruch (§ 56 Abs. 1a IfSG) und Nachgewährung des Urlaubs nach § 9 BUrlG analog ist vor dem Hintergrund der gesetzlich geregelten Risikoverteilung bei einem Verdienstausfall durch eine Quarantäneanordnung durchaus eine überlegenswerte Lösung. Man darf auf die Entscheidung des BAG gespannt sein.


zurück