Alltägliche Standardsoftware wie Microsoft Excel unterliegt der Mitbestimmung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG

|| Arbeitsrecht

BAG, Beschluss vom 23.10.2018, Az.: 1 ABN 36/18

Einleitung

Das BAG unterscheidet bei der Datenerhebungs- und Datenverarbeitungstechnik zwei Fallgestaltungen, die es einheitlich dem Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG unterwirft: Erfasst werden technische Einrichtungen, durch die leistungs- oder verhaltensbezogene Daten erhoben werden, auch wenn deren Auswertung nicht beabsichtigt ist (BAG 6.12.1983, AP BetrVG 1972 § 87 Überwachung Nr. 7, Bildschirmarbeitsplatz). Auch dann, wenn diese Daten nicht auf technischem Weg gewonnen werden (manuell erhobene Daten), soll das Mitbestimmungsrecht gegeben sein, wenn die Daten dem System eingegeben und dadurch zu Aussagen über Verhalten und Leistung der Arbeitnehmer verarbeitet werden (BAG 14.9.1984, AP BetrVG 1972 § 87 Überwachung Nr. 9, Technikerberichtsystem).

Sachverhalt

Der Arbeitgeber betreibt ein Krankenhaus. Bis Ende Januar 2016 führte er Anwesenheitslisten nur in Papierform. Zukünftig wollte er die Zeiten in einer Excel Tabelle erfassen und diese der Konzernleitung an ein anderes konzernangehöriges Unternehmen übermitteln. Der Betriebsrat reklamierte ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 6 BetrVG. Der Arbeitgeber bestritt das Mitbestimmungsrecht und ließ die Anwesenheit in Fehlzeiten der Mitarbeiter in Excel Tabellen einpflegen. Aus Sicht des Arbeitgebers handelte es sich bei einer Excel Tabelle nur um einen „digitalisierten Handzettel“. Die per Hand eingegebenen Informationen würden durch das System nicht verändert. Die Anwesenheit könnendaher ebenso gut in einem Word-Dokument erstellt werden. Die Vorinstanzen haben dem Unterlassungsantrag des Betriebsrats stattgegeben. Der Arbeitgeber hat gegen die Entscheidung des LAG Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Diese wurde vom BAG zurückgewiesen

Entscheidung

Nach §87 Abs.1 Nr.6 BetrVG habe der Betriebsrat u.a. mitzubestimmen bei der Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. Ein datenverarbeitendes System ist nach der Rechtsprechung des BAG zur Überwachung von Verhalten oder Leistung der Arbeitnehmer bestimmt, wenn es individualisierte oder individualisierbare Verhaltens- oder Leistungsdaten selbst erhebt und aufzeichnet, unabhängig davon, ob der Arbeitgeber die erfassten und festgehaltenen Verhaltens- oder Leistungsdaten auch auswerten oder zu Reaktionen auf festgestellte Verhaltens- oder Leistungsweisen verwenden will. Überwachung in diesem Sinn sei sowohl das Sammeln von Informationen, als auch das Auswerten bereits vorliegender Informationen (BAG 25.09.2012 -1 ABR 45/11 - Rn. 21). In diesem Zusammenhang sei geklärt, dass etwa die Nutzung und der Einsatz des Datenverarbeitungssystems SAP ERP zur Personalverwaltung der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG unterliegt. Es sei offenkundig, dass für andere softwarebasierte Personalverwaltungssysteme nichts Abweichendes gelte, möge diesen auch „alltägliche Standardsoftware“ (hier das Tabellenkalkulationsprogramm Microsoft Excel als Bestandteil des Office-Pakets) zugrunde liegen (zumal es sich bei einem SAP-Programm ebenso um ein Standardsoftwareprodukt handelt). Desgleichen liege auf der Hand, dass es für die „Bestimmung zur Überwachung“ iSv. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG nicht auf eine - wie auch immer im Einzelnen verfasste - „Geringfügigkeitsschwelle“ ankomme. Das Mitbestimmungsrecht sei darauf gerichtet, Arbeitnehmer vor Beeinträchtigungen ihres Persönlichkeitsrechts durch den Einsatz technischer Überwachungseinrichtungen zu bewahren, die nicht durch schutzwerte Belange des Arbeitgebers gerechtfertigt und unverhältnismäßig sind. Die auf technischem Wege erfolgende Ermittlung und Aufzeichnung von Informationen über Arbeitnehmer bei der Erbringung ihrer Arbeitsleistung berge die Gefahr in sich, dass sie zum Objekt einer Überwachungstechnik gemacht werden, die anonym personen- oder leistungsbezogene Informationen erhebt, speichert, verknüpft und sichtbar macht. Den davon ausgehenden Gefährdungen des Persönlichkeitsrechts von Arbeitnehmern solle das Mitbestimmungsrecht entgegenwirken (BAG 13.12.2016 – 1 ABR 7/15 - Rn. 21, BAGE 157, 220). Nach diesem höchstrichterlich geklärten Zweck des Mitbestimmungsrechts scheide die Annahme des Überschreitens einer „Erheblichkeits- oder Üblichkeitsschwelle“ als Voraussetzung für die Mitbestimmung des Betriebsrats bei § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG von vornherein aus, zumal offenkundig sei, dass im Zusammenhang mit digitaler Personalverwaltung erfasste Daten -unabhängig von der konkret genutzten Software- für Verarbeitungsvorgänge zur Verfügung stehen, die für eine Überwachung genutzt werden können.

Fazit

Der Vergleich zwischen einem komplexen in unterschiedliche Geschäftsprozesse integrierenden softwarebasierten Personalverwaltungssystem wie SAP ERP mit Aufzeichnungen, die über das von jedermann für einfache Büroanwendungen genutzte Softwareprogramm Excel erstellt wurden, befremdet. Vor dem Hintergrund, dass es für die Eröffnung des Mitbestimmungstatbestandes nach § 87 Abs.1 Nr. 6 BetrVG nach der mittlerweile Jahrzehnte alten Rechtsprechung des BAG auf die bloße Möglichkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten ankommt, ist sie aber konsequent.


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