Verhaltensbedingte Kündigung wegen verweigerter Schnelltestung

|| Arbeitsrecht

ArbG Hamburg, Urteil vom 24.11.2021 - 27 Ca 208/21

Einleitung

Weigert sich ein Arbeitnehmer vor dem Hintergrund der aktuellen Corona-Pandemie und im Juni 2021 noch fehlenden gesetzlichen Verpflichtung durch den Arbeitgeber bereitgestellte Schnelltests durchzuführen, ist vor Ausspruch einer Kündigung der Ausspruch einer Abmahnung als milderes Mittel geeignet und ausreichend, künftige Vertragstreue zu bewirken.

Mit der 2. Änderungsverordnung der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung wurden Arbeitgeber verpflichtet, ihren Mitarbeitern Corona-Tests anzubieten. Mit einer 3. Änderungsverordnung, die am 24.4.2021 in Kraft getreten ist, sind diese Tests allen Mitarbeitern zweimal in der Woche anzubieten. Seitdem wird die Frage diskutiert, ob der Arbeitgeber den Zugang zum Betrieb von der Vorlage eines negativen Corona-Tests abhängig machen oder die Selbsttestung in Form einer Arbeitsanweisung nach § 106 GewO verpflichtend anordnen kann.

Hierbei stehen sich die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gegenüber den Arbeitnehmern und/oder betriebliche Interessen und die Rechte des Arbeitnehmers auf Achtung seines Persönlichkeitsrechts, seiner personenbezogenen Daten/informationeller Selbstbestimmung und seiner Intimsphäre (Art. 2 I GG i. V. m. Art. 1 GG) gegenüber.

Gibt es beachtliche Gründe, die eine Testung der Arbeitnehmer vor Arbeitsbeginn rechtfertigen, kann sich die Anordnung als rechtmäßig erweisen. Das Arbeitsgericht Hamburg hatte jetzt einen Fall zu entscheiden, in dem sich ein Arbeitnehmer im Fahrdienst einer Anweisung zur Selbsttestung widersetzt hat.

Der Sachverhalt:

Der Arbeitgeber ist ein Dienstleister, der ein sogenanntes vollelektronisches "Ride-Sharing" im Bereich der Personenbeförderung anbietet. Der Arbeitnehmer war seit Juni 2019 mit einem Bruttomonatsgehalt von zuletzt 2.088 € als Fahrer beschäftigt. Während der Corona-Pandemie hatte der Arbeitgeber zeitweise seinen regulären Fahrbetrieb eingestellt und für alle Arbeitnehmer Kurzarbeit Null eingeführt. Ab April 2021 übernahm der Arbeitgeber in Hamburg Nachtfahrten des öffentlichen Personennahverkehrs und gab per Pressemitteilung u.a. bekannt, dass neben anderen Infektionsschutzmaßnahmen "[...] die Fahrer [...] regelmäßig auf Corona-Infektionen getestet [werden]". Kurz darauf beschloss der Arbeitgeber, dass er schon vor Erweiterung der gesetzlichen Vorgaben damit beginnen werde, die Testfrequenz auf zwei Mal in der Woche zu erhöhen.

Bei den vom Arbeitgeber angebotenen Schnelltests handelte es sich um einen Antigen-Selbsttest, der lediglich einen Abstrich im vorderen Nasenbereich erfordert und vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte anerkannt ist. Am ersten Arbeitstag nach der Kurzarbeit, lehnte der Arbeitnehmer es ab, vor Fahrtbeginn den bereitgestellten Corona-Schnelltest vor Ort durchzuführen. Darüber hinaus verweigerte er auch die Mitnahme von Testkits, um sich regelmäßig zu Hause selbst zu testen.

Der Arbeitgeber wies den Arbeitnehmer mündlich auf die Verpflichtung zur Durchführung der Tests hin. Nachdem dieser dennoch weiterhin deren Durchführung ablehnte, wurde er für den Tag unbezahlt freigestellt. Die folgenden drei Tage erschien der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz, bot seine Arbeitskraft an und verweigerte weiterhin die Durchführung und Mitnahme der vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Schnelltests. Einen alternativen Test hatte er nicht mitgebracht. Der Arbeitgeber erteilte dem Arbeitnehmer ein Hausverbot und verwies ihn vom Betriebsgelände. Sodann kündigte er das Arbeitsverhältnis.

Der Arbeitnehmer war der Ansicht, dass weder eine gesetzliche noch eine kollektivrechtliche Verpflichtung für Arbeitnehmer zur Teilnahme an Corona-Tests ohne Rücksicht auf das Vorhandensein etwaiger Symptome bestanden habe und die Anordnung der Testpflicht auch nicht vom Weisungsrecht gedeckt sei. Das Arbeitsgericht gab der Kündigungsschutzklage statt.

Entscheidung

Die Kündigung sei nicht als verhaltensbedingte Kündigung i.S.v. § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt.

Die Anordnung des Arbeitgebers gegenüber seinen Fahrern, die von ihm bereitgestellten Corona-Schnelltests (auch erstmalig vor Ort auf dem Betriebsgelände) durchzuführen, sei zwar rechtmäßig. Es seien insoweit auch keine Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates übergangen worden, da es zu diesem Zeitpunkt noch keinen Betriebsrat im Betrieb des Arbeitgebers gegeben habe. Der Arbeitnehmer habe durch die Ablehnung dieser Tests schuldhaft gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen. Nach Auffassung der Kammer wäre allerdings vor Ausspruch einer Kündigung der Ausspruch einer Abmahnung als milderes Mittel geeignet und ausreichend gewesen, beim Arbeitnehmer künftige Vertragstreue zu bewirken. Der Arbeitgeber trage auch insoweit die Beweislast. Er sei nicht berechtigt gewesen, das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist sogleich zu kündigen.

Die Abmahnung sei nicht entbehrlich gewesen. Zwar habe sich der Arbeitnehmer wiederholt geweigert, die vom Arbeitgeber bereitgestellten Schnelltests vor Ort auf dem Betriebsgelände durchzuführen. Dabei sei der Arbeitnehmer aber davon ausgegangen, dass dieses Verhalten rechtmäßig gewesen sei und er gegenüber dem Arbeitgeber auf die Bereitstellung eines - aus seiner Sicht - minimal invasiveren Testverfahrens bestehen durfte. Darüber hinaus war er - insoweit unstrittig - bereit, einen anderen Schnelltest durchzuführen, um den Interessen des Arbeitgebers nachzukommen.

Vor diesem Hintergrund könne auch und gerade unter Berücksichtigung einer (in Ermangelung höchstrichterlicher Rechtsprechung) unklaren Rechtslage zur Testpflicht von Arbeitnehmern und jedenfalls einer (im Juni 2021 noch) fehlenden gesetzlichen Verpflichtung, weder davon ausgegangen werden, dass dem Arbeitnehmer bewusst war, dass er seinen Arbeitsplatz aufs Spiel setzte, noch dass er die Vertragswidrigkeit seines Verhaltens kannte und trotzdem die bereitgestellten Testverfahren ablehnte. Ausgehend davon hätte dem Arbeitnehmer vor Ausspruch einer Kündigung durch eine Abmahnung noch einmal deutlich die Gefahr für den Bestand seines Arbeitsverhältnisses vor Augen geführt werden müssen, sollte dieser die Durchführung eines Schnelltests (gleich welchen) weiterhin verweigern.

Fazit

Arbeitnehmer sollten diese erstinstanzliche Entscheidung nicht überbewerten. Die Entscheidung widerspricht der ständigen Rechtsprechung des BAG in den Fällen einer beharrlichen Arbeitsverweigerung.

Da die Arbeitsverweigerung typischerweise aus einem konkreten Anlass heraus begangen wird, kann mit ihrer Wiederholung zwar nicht ohne weiteres gerechnet werden. Dann ist eine vorherige Abmahnung zur Rechtfertigung einer verhaltensbedingten Kündigung erforderlich.

Hier hat der Arbeitnehmer aber seine Arbeitskraft trotz wiederholter Aufforderung bewusst zurückgehalten und war nicht bereit, die Arbeit aufzunehmen, bis er entweder von der Anordnung sich testen zu lassen freigestellt oder ihm ein Test nach seinen Vorgaben zur Verfügung gestellt wird. Damit liegt eine beharrliche Arbeitsverweigerung vor, die grundsätzlich auch eine außerordentliche Kündigung gemäß § 626 BGB zu rechtfertigen vermag. Eine Abmahnung ist in diesen Fällen nicht erforderlich.

Für die Bewertung, ob eine bewusste Zurückhaltung der Arbeitskraft eine beharrliche Arbeitsverweigerung darstellt, ist die objektive Rechtslage maßgeblich. Der Arbeitnehmer kann sich einem vertragsgemäßen Verlangen des Arbeitgebers nicht einmal dadurch -vorläufig- entziehen, dass er ein gerichtliches Eilverfahren zur Klärung einleitet. Verweigert der Arbeitnehmer die geschuldete Arbeitsleistung in der Annahme, er handele rechtmäßig, hat er grundsätzlich selbst das Risiko zu tragen, dass sich seine Rechtsauffassung als fehlerhaft erweist. Das gilt selbst dann, wenn sich der Arbeitnehmer seine Rechtsauffassung nach sorgfältiger Prüfung und sachgemäßer Beratung gebildet hat. Auf einen unverschuldeten Rechtsirrtum kann er sich nur dann berufen, wenn er aufgrund objektiver Beurteilung davon ausgehen durfte, dass sein Rechtsstandpunkt richtig ist (BAG, Urteil vom 29.08.2013).

Die Selbsttestung in Zeiten der Corona Pandemie ist auch keine so große Zumutung für einen Arbeitnehmer, dass man ihm nicht abverlangen könnte, bis zu einer Bestätigung seiner Rechtsauffassung durch das Arbeitsgericht im Eilverfahren der Anweisung des Arbeitgebers Folge zu leisten. Der Arbeitnehmer benötigt keine Abmahnung um zu wissen, dass er bei beharrlicher Arbeitsverweigerung mit einer Kündigung rechnen muss. Nimmt er das Risiko, sich ins Unrecht zu setzen, auf sich, muss er mit den Folgen leben.


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