Vertragliche Ausschlussfrist

|| Arbeitsrecht

BAG, Urteil vom 09.03.2021 – 9 AZR 323/20

Einleitung
Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Urlaubsabgeltung kann als reiner Geldanspruch Ausschlussfristen in einer Ausschlussklausel unterliegen. Die richtige und umfassende Formulierung unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BAG ist eine besondere Herausforderung der arbeitsvertraglichen Gestaltungspraxis. Eine neue Entscheidung des 9. Senats des BAG gibt Anlass, sich die Bedeutung der Klausel für die Vertragsgestaltung in Erinnerung zu rufen.

Bekanntlich sind Ausschlussklauseln nichtig, wenn sie den gesetzlichen Mindestlohn nicht ausnehmen. Das begründete bereits erheblichen Änderungsbedarf bei bisher verwendeten Klauseln. Mit Urteil vom 26.11.2020 hat bereits der 8. Senat des BAG den Hinweis erteilt, dass – unabhängig von der Herausnahme des Mindestlohns – pauschale Ausschlussklauseln auch dann nichtig sind, wenn sie „alle Ansprüche aus einem Arbeitsverhältnis“ erfassen und damit die Haftung wegen Vorsatzes nicht ausnehmen. Zur Begründung berief sich der 8. Senat auf § 202 Abs. 1 BGB, der es ausdrücklich verbietet, Haftung wegen Vorsatzes nicht im Voraus durch eine vertragliche Regelung zu erleichtern.

Jetzt hat der 9. Senat, der für das Urlaubsrecht zuständig ist, klargestellt, dass insbesondere auch Urlaubsabgeltungsansprüche nicht von einer Ausschlussklausel erfasst werden, die eine Haftung wegen Vorsatzes nicht ausdrücklich aus dem Geltungsbereich ausnimmt. Die Ansprüche unterliegen damit der regelmäßigen gesetzlichen Verjährung von drei Jahren.

Sachverhalt
Der vor Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes im Jahre 2013 geschlossene Arbeitsvertrag des Arbeitnehmers enthielt folgende Ausschlussklausel: „Die Vertragsparteien müssen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit schriftlich geltend machen und im Falle der Ablehnung durch die Gegenseite innerhalb von weiteren drei Monaten einklagen. Andernfalls erlöschen sie. Für Ansprüche aus unerlaubter Handlung verbleibt es bei der gesetzlichen Regelung.“

Das Arbeitsverhältnis endete am 31.10.2017. Mit Schreiben vom 20.12.2018 forderte der Arbeitnehmer den Arbeitgeber auf, ihm 25 Urlaubstage aus dem Jahr 2017 abzugelten, die ihm wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr gewährt werden konnten. Der Arbeitgeber wies die Ansprüche unter Hinweis auf die Ausschlussfrist zurück. Das ArbG wies die Klage ab. Die hiergegen eingelegte Berufung wies das Landesarbeitsgericht zurück. Die Revision zum BAG hatte Erfolg.

Entscheidung
Die Anwendung der Klausel scheitert nicht daran, dass sie Ansprüche nach dem Mindestlohngesetz nicht ausdrücklich von ihrem Anwendungsbereich ausnimmt, da bei Abschluss des Vertrages das Mindestlohngesetz noch nicht in Kraft getreten war und das BAG für sogenannte Altverträge Vertrauensschutz gewährt.

Der Abgeltungsanspruch des Arbeitnehmers sei nach Auffassung des BAG nicht aufgrund der Ausschlussfrist im Arbeitsvertrag verfallen. Dieser könne als reiner Geldanspruch einer Ausschlussfrist unterliegen. Die vereinbarte Ausschlussfrist sei jedoch insgesamt unwirksam, weil sie entgegen § 202 Abs. 1 BGB die Haftung wegen Vorsatzes begrenze. § 202 Abs. 1 BGB bezwecke einen umfassenden Schutz gegen im Voraus vereinbarte Einschränkungen von Haftungsansprüchen aus vorsätzlichen Schädigungen. Erfasst seien neben Vereinbarungen über die Verjährung auch Ausschlussfristen. Die Ausschlussfrist im Arbeitsvertrag nehme entgegen § 202 Abs. 1 BGB Haftungsansprüche aufgrund vorsätzlicher Schädigungen nicht umfassend aus ihrem Anwendungsbereich aus. Aus Sicht eines durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders sei nicht davon auszugehen, dass die Ausschlussfrist Ansprüche wegen vorsätzlichen Vertragsverletzungen nicht erfasse. Die Nennung allein der „Ansprüche aus unerlaubter Handlung“ zeige im Umkehrschluss, dass sich der Anwendungsbereich der Ausschlussfrist auf alle Ansprüche erstrecken soll, die nicht als ausgenommen aufgeführt sind. Der Verstoß habe die Gesamtunwirksamkeit der Regelung zur Folge, da sie nicht teilbar sei. Die Klausel erfasse inhaltlich und sprachlich „Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis“, ohne zwischen den von ihrem Anwendungsbereich erfassten Ansprüchen zu differenzieren. Auch unter Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten könne die Klausel nicht aufrechterhalten werden. § 202 Abs. 1 BGB entziehe Ansprüche des Gläubigers wegen vorsätzlichen Verhaltens generell der Dispositionsbefugnis der Parteien. Eine Wirksamkeitskontrolle nach den Regelungen des AGB-Rechts und die Anwendung von § 310 Abs. 4 S. 2 HS 1 BGB könne deshalb nicht einer nach § 202 Abs. 1 BGB unwirksamen Vereinbarung Geltung verschaffen. Eine ergänzende Vertragsauslegung sei nicht möglich, da dem mit der Ausschlussfrist verfolgten Zweck, Rechtsfrieden und Rechtssicherheit zu geben, durch gesetzliche Verjährungsfristen hinreichend Rechnung getragen werde und dem Arbeitnehmer als Klauselverwender in der Hand habe, eine korrekte Ausschlussfristenregelung zu formulieren.

Praxishinweis
Das BAG fordert eine ausdrückliche Ausnahme der Haftung wegen Vorsatzes vom Anwendungsbereich von Ausschlussklauseln. Die in Ausschlussklauseln häufig verwendete Formulierung, dies gelte nicht für Ansprüche aus vorsätzlich oder grob fahrlässig begangener unerlaubter Handlungen, reicht nicht aus. Die Entscheidung verdeutlicht auch, dass die Unwirksamkeit der Klausel auch solche Ansprüche ermöglicht, die nicht auf Vorsatz beruhen, sondern wie hier aus dem BUrlG oder anderen gesetzlichen Ansprüchen ohne subjektiven Tatbestand herrühren.


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