Videoüberwachung: Daten müssen nicht sofort ausgewertet werden

|| Arbeitsrecht

BAG, Urteil vom 23.8.2018 2, Az.: AZR 133/18

Das Speichern von Daten aus rechtmäßiger offener Videoüberwachung wird nicht durch bloßen Zeitablauf unverhältnismäßig. Voraussetzung ist, dass die Bildsequenzen Handlungen eines Arbeitnehmers zulasten des Eigentums des Arbeitgebers zeigen und die Ahndung der Pflichtverletzung arbeitsrechtlich noch möglich ist.

Einleitung

Arbeitgeber besitzen ein schützenswertes Interesse an der Kontrolle von Verhalten und Leistung ihrer Arbeitnehmer, das sich aus dem Eigentums- und Berufsausübungsrecht Art 12 GG, Art 14 GG GG ableitet. Ebenso werden hohe Compliance-Anforderungen an Unternehmen gestellt, strafbare Handlungen ihrer Mitarbeiter aufzudecken und zu verfolgen. Mit dem Instrument der Videoüberwachung können Arbeitsrechtsverstöße leicht festgestellt und in einem gerichtlichen Verfahren sicher nachgewiesen werden. Diesen legitimen Arbeitgeberinteressen stehen das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer und insbesondere ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 1 Abs. 1 GG sowie das Recht auf private Datensphäre und Selbstbestimmung über den Umgang mit ihren persönliche Daten entgegen.

Es ist nicht grundsätzlich untersagt, Videoaufnahmen von Arbeitnehmern zu fertigen, allerdings ist wegen der Erheblichkeit des Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers die Zulässigkeit an eine Reihe von Voraussetzungen gebunden, deren Verletzung neben einem eventuellen Beweisverwertungsverbot im gerichtlichen Verfahren wegen Unzulässigkeit der Maßnahme auch Schadensersatz- sowie Schmerzensgeldansprüche auslösen kann. Selbst wenn Videoaufnahmen von Arbeitnehmern im Einzelfall zulässig sind, Tonaufnahmen sind es in der Regel bei der Videoüberwachung nicht, da hier, anders als bei Bildaufnahmen, es unter Strafandrohung verboten ist, das nichtöffentlich gesprochene Wort aufzuzeichnen oder abzuhören. Gleichermaßen sind auch Video- und Bildaufnahmen von Arbeitnehmern in ihren Wohnungen oder in gegen Einblicke besonders geschützten Räumen (höchstpersönlicher Lebensraum) unzulässig, da dies ebenfalls durch das Strafgesetzbuch ausdrücklich untersagt ist.

In dem jetzt vom BAG entschiedenen Fall ging es um die Frage, ob der Arbeitgeber auf digital aufgezeichnete und gespeicherte Videoaufnahmen zurückgreifen darf, die bereits längere Zeit zurückliegen.

Sachverhalt

In einem Tabak- und Zeitschriftenhandel war eine offene Videoüberwachung installiert, um das Eigentum vor Straftaten seitens der Arbeitnehmer und Kunden zu schützen. Im Juli 2016 stellte der Arbeitgeber einen Fehlbestand bei den Tabakwaren fest. Die anschließende Auswertung der Videoaufzeichnungen im August 2016 zeigten, wie eine Arbeitnehmerin an zwei Tagen im Februar 2016 vereinnahmte Gelder nicht in die Registrierkasse gelegt hatte. Daraufhin wurde das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos gekündigt. Die Kündigungsschutzklage der Arbeitnehmerin hatte in den Vorinstanzen Erfolg. Das LAG Hamm war der Auffassung, die Videoaufzeichnungen unterlägen einem Verwertungsverbot. Der Beklagte hätte sie unverzüglich, jedenfalls deutlich vor August 2016 löschen müssen. Das BAG hob das Berufungsurteil hinsichtlich des Kündigungsschutzantrags auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung zurück an das LAG Hamm.

Entscheidung

Sollte die Videoüberwachung offen und rechtmäßig erfolgt sein, wäre auch die Verarbeitung und Nutzung der einschlägigen Bildsequenzen nach § 32 Abs. 1 Satz BDSG a. F. zulässig gewesen. Dann wäre auch nicht das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) verletzt. Eine sofortige Auswertung der Daten sei nicht erforderlich gewesen, vielmehr habe der Arbeitgeber abwarten dürfen, bis ein berechtigter Anlass zur Überprüfung vorgelegen habe. Einer gerichtlichen Verwertung der personenbezogenen Daten stünden – vorausgesetzt, die Überwachung war rechtmäßig – auch nicht die Vorschriften der seit 25.5.2018 anzuwendenden DSGVO entgegen.

Fazit

Die Entscheidung des BAG liegt bisher nur als Presseveröffentlichung vor. Im konkreten Fall lagen zwischen Aufzeichnung und Verwertung sechs Monate. Es bleibt abzuwarten, ob sich den Entscheidungsgründen entnehmen lässt, ab welcher Zeitdauer ein Zurückgreifen auf gespeicherte Videoaufzeichnungen unzulässig ist.


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